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Qualitätsmanagement in der Diagnostik von SARS-CoV-2

Noch nie wurden Wörter wie Polymerase Kettenreaktion (PCR), Validität, Verifizierung oder Gold Standard so oft in den Medien an die Bevölkerung transportiert wie in den letzten Monaten. Doch wird Herr und Frau Österreicher hier wirklich mit den für die einzelne Meinungsbildung wichtigen Informationen versorgt? Welchen Eindruck bekommt die Allgemeinheit von der Arbeit in einem medizinisch diagnostischen Labor? 

Schon vor COVID-19 galt und gilt die Arbeit im Labor als großes Mysterium. Die mit der Diagnostik beschäftigten Berufsgruppen, also der Facharzt für Labormedizin und die Biomedizinischen AnalytikerInnen haben sich im Laufe der Entwicklungen kaum oder gar nicht zu Wort gemeldet und tun dies bis jetzt auch kaum. 

Der Fachbereich der molekularbiologischen Diagnostik zählt in der klinischen Routinediagnostik zu den absoluten Randgebieten, also zur Spezialdiagnostik. Dieses Feld hat zwar in den letzten Jahren enorm an Wichtigkeit und Qualität dazugewonnen, ist aber trotzdem nur eingeschränkt und auch nicht alleinig für die Erstellung einer klinischen Diagnose anzuwenden. 

War es vor COVID-19 undenkbar alleinig aufgrund eines positiven PCR Ergebnisses eine klinische Behandlung einzuleiten, so entscheidet das Ergebnis dieses Tests heute über maßgebliche Einschnitte im Leben eines betroffenen Menschen, die in vielen Fällen nicht nur gesundheitlicher Natur sind.

Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) definiert erneut am 14.8.2020 in einem umfangreichen Dokument mit dem Titel: „Österreichische Teststrategie SARS-CoV-2“ die Empfehlungen an die Qualitätsstandards in Laboren bei der Diagnostik von COVID-19. 

Als zwei wesentliche Ziele wurde die Testung von symptomatischen Personen und deren Kontaktpersonen sowie die Testung im Rahmen von Screeningprogrammen definiert. Als rechtliche Grundlage für die Durchführung einer Testung gilt die jeweils gültige Fassung des Epidemiegesetz 1950 [1]. 

Die Entscheidung, welche Personen getestet werden, obliegt in vielen Fällen freiwilligen Personen die eine Testdurchführung telefonisch organisieren. Dieses Personal ist zwar durchaus für diesen Bereich geschult, trotzdem ist diese Vorgehensweise in der klinischen Diagnostik neu und daher auch kritisch zu hinterfragen. Im Normalfall war es immer der Kliniker am Patienten der die Entscheidung über notwendige Untersuchungen und/oder Interventionen getroffen hat. Dies ist seit neuersten Empfehlungen auch bereits in Umsetzung, wobei es eine große Herausforderung an die Strukturqualität der niedergelassenen hausärztlichen Praxen stellt und stellen wird [1]. 

Wie schon eingehend erwähnt sind die Blicke der Welt auf „TESTEN-TESTEN-TESTEN“ gerichten. Aber wie ist die Lage in den Österreichischen öffentlichen und auch privatwirtschaftlichen Laboren zu bewerten? Die Tatsache, dass es nicht „den TEST“ gibt dürfte nun endlich allseits bekannt sein. Am europäischen Markt sind unzählige Testsysteme, hier ist die Hardware gemein, also das Gerät mit dem die Analyse durchgeführt wird, und der Test oder Testkit an sich gemeint. Der Test oder auch Testkit enthält die für den molekularbiologischen Ablauf notwendigen Reagenzien. Hier kann man wiederum zwischen geschlossenen und offenen Systemen unterscheiden. Die je nach Anforderungen und vorhandener Strukturqualität, also Ausstattung des Labors, zum Einsatz kommen können. Diese Dinge können und müssen der Bevölkerung nicht bekannt sein – oft wäre es schon hilfreich in der Interpretation der Dinge, wenn der Fachkreis diese Grundlagen wüsste.

Viele Diskussionen wurden und werden stätig über die Qualität der Befunde geführt. Von welcher Qualität wird hier ständig gesprochen? Wie kommt ein Befund zu Stande und wie arbeiten Labore an der Aufrechterhaltung eines hohen Qualitätsstandards bei der Erstellung von klinischen Befunden?

Hierzu muss klar gesagt werden, dass wir in der Geschichte der Labordiagnostik noch nie mit einer derartigen Methode, also der Polymerase Kettenreaktion, in diesem Stil getestet haben. Die Methode gilt zwar derzeit als Gold Standard, wobei dieser Begriff nicht definiert, dass wir es mit der Besten und einzigen Methode in diesem Bereich zu tun haben. 

Als Grundlage für die Qualität einer Methode oder eines Tests sind zum einen die Kennzahlen Spezifikation des Tests, und zum anderen das vorhandenes Qualitätsmanagementsystem der Organisation ausschlaggebend. Nur so kann ein Befund die medizinischen Anforderungen erfüllen und ist repräsentativ. Hinter jedem PCR Ergebnis stehen folgende Variablen: allgemeine Normen und Regelwerke, gesetzliche Grundlagen, ständige transparente Dokumentation, interne und externe Qualitätskontrollen, wissenschaftlich ermittelte Referenzbereiche, ausgewählte Kriterien die den Prozess der Validation beschreiben [2]. 

Die Abläufe in einem Labor kann man grob in drei große Bereiche unterteilen: die Präanalytik, die Analytik und die Postanalytik. Im Fall der COVID-19 haben wir hier in jedem der drei Prozesse eine enorme Streuungsbreite was die Standardisierung der Abläufe angeht. 

Betrachtet man nun die Präanalytik näher, also wie komme ich an meine Probenmaterial: für die Entnahme der Nasen Rachen Abstriche wurden und werden in den Krankenhäusern und anderen Teststationen verschiedensten Disziplinen und Berufsgruppen herangezogen. Möglich macht dies die eilig realisierte Änderung des Sanitätergesetzes sowie des MTD-Gesetzes vom 19.3.2020, schon an diesem Tag wusste die Regierung, dass wir Massen an Tests in dieser Pandemie brauchen werden. Für die Entnahmen von Nasen und Rachenabstrichen zu diagnostischen Zwecken sind nun eine Vielzahl von verschiedenen Berufsgruppen teilweise ohne Eintrag in das Gesundheitsberuferegister betraut worden. Wie schon erwähnt hängt die Qualität eines Befundes zu einem Drittel von der Probenentnahme ab [3]. 

Neben der Probengewinnung ist auch die Probenlogistik enorm von Bedeutung für die Erstellung eines validen Testergebnisses. Gerade am Anfang der Pandemie, also im März und April, war beispielsweise durch das Fehlen von Abstrichmaterialien und Medien eine Standardisierung bei der Probenentnahme nicht gewährleistet. Genau zu diesem Zeitpunkt wurden jedoch jene Daten generiert, die zu den restriktiven Maßnahmen und zu dem „Lockdown“ geführt haben. 

Eine weiter wichtige Station auf dem Weg zum Befund, ist die Auswahl der zu testenden Population. Hier stellt sich besonders bei der Testung von asymptomatischen Patienten die Frage nach der Aussagekraft dieser Ergebnisse, da die Testgenauigkeit der verschiedenen Tests nur in Laborversuchen zugrunde liegen und Validationsprozessen anhand von Proben aus Ringversuchen ermittelt wurden. Diese Methodik entspricht jedoch nicht der realen Situation in der Bevölkerung.

In Österreich wie auch in Deutschland kann Anfang September von einer ähnlich niedrigen Prävalenz, also Durchseuchung, von 0,025 – 0,03 % ausgegangen werden. Diese Tatsache hat eine enorme Auswirkung auf den positiven Vorhersagewert eines Testverfahrens und beeinflusst die Aussagefähigkeit der Testergebnisse. Es sollte hier auch die Sachgemäße Verwendung der Tests laut Herstellerzulassung überprüft werden [4]. 

Trotz dieser Tatsache, die allseits bekannt sein müsste, werden positive Testergebnisse bei asymptomatischen Menschen kaum oder gar nicht mittels Wiederholungstest auf einem zweiten Testsystem verifiziert. Derartige Strategien die in Österreich besonders die Testung von Schulen, Kindergärten, gastronomischen Betrieben und Rückkehrern aus scheinbaren Risikogebieten betreffen sind aufgrund der enormen Auswirkungen für den einzelnen Menschen zu hinterfragen [1].

Sind dann alle diese präanalytischen Schritte betreffend der zu erwartenden Ergebnisqualität abgeklärt worden, und sind diese im besten Fall fehlerfrei abgelaufen, bekommt ein Labor eine einwandfreie Probe zur Weiterverarbeitung bereitgestellt. 

Die Laborlandschaft in der Diagnostik von COVID-19 ist seit der bereits erwähnten Gesetzesänderung vom 19.3.2020 sehr bunt geworden. Ein scheinbarer Mangel an Fachkräften wurde umgehend gesichtet und diesem wurde mit einer Aufweichung der Gesetzeslage entgegengewirkt, um jeder Person mit einem abgeschlossenen veterinärmedizinischen oder naturwissenschaftlichen Studium für die Testung von SARS-CoV-2 heranziehen zu können [3]. Dies hatte und hat weiterhin zur Folge, dass Berufsgruppen die keinen humanmedizinischen Hintergrund haben eine hohe Anzahl von Tests durchführen. Aber gerade jenes Hintergrundwissen ist notwendig um Testergebnisse und auch Konsequenzen für die Patientensicherheit korrekt interpretieren und sichten zu können.

Hier sollte eindeutig geklärt und kommuniziert werden, dass es unter normalen Voraussetzungen, also in der „nicht Pandemie Situation“, neben Ärzten und Ärztinnen ausschließlich der Berufsgruppe der Biomedizinischen AnalytikerInnen vorbehalten ist, eigenverantwortlich klinische Befunden im humanmedizinischen Bereich nach ärztlicher Anordnung zu erstellen. Jene Berufsgruppe, der ich angehöre, wird in Österreich im tertiären Sektor in einem dreijährigen Fachhochschul-Bakkalaureatsstudiengang speziell für dieses Gebiet ausgebildet. Wir sind für die Versorgung von Patienten im Einsatz und hinterfragen jedes produzierte Ergebnis auf Plausibilität und Validität. 

Ein frühes Papier vom BMSGPK mit dem Titel „Empfehlungen zur PCR Testung auf Infektion mit SARS-CoV-2“ welches schon am 29.4.2020 veröffentlicht wurde beschreibt die notwendigen Strukturen für ein Testlabor wie folgt: „…Sie müssen über die fachliche Expertise und technische Ausstattung zur Durchführung der SARS-CoV-2-PCR befähigt sein. Die Labore sind zu verpflichten, dass alle positiven, negativen und ungültigen Laboruntersuchungsergebnisse, die gemäß diesem Erlass zur Untersuchung übermittelt wurden, über eine HL7 Schnittstelle in das EMS übertragen werden…“ [5].

Die Anforderungen an ein Labor wurden mit 14.8.2020 versucht etwas präziser zu formulieren. Im Bereits erwähnten Dokument des BMSGPK „Österreichische Teststrategie SARS-CoV-2“ [1] wird festgehalten, dass Ärzte, Ärztinnen, Gruppenpraxen und fachärztlich geführte Labore die Verlässlichkeit der Ergebnisse mittels Ringversuch oder ähnlichem Verfahren sicherzustellen haben.

In Anbetracht der Resultate des ersten Österreichischen Ringversuches, durchgeführt von der Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung medizinisch-diagnostischer Untersuchungen (ÖQUASTA), wurde jedoch klar sichtbar, dass die Systeme die zu diesem Zeitpunkt in Verwendung waren massive Mängel in der Sensitivität aufwiesen. 67 Systeme wurden überprüft und davon konnten 40 % jeweils eine von 4 Proben nicht korrekt detektieren [6]. 

Somit kann man hier, auch wie bei der Gewinnung des Probenmaterials, von einer fehlenden Standardisierung sprechen. Welche Qualitätssicherungsmaßnahmen von anderen, nicht fachärztlich geführten, Laboren getroffen oder dokumentiert werden müssen, wird bis jetzt nicht transparent vom BMSGPK kommuniziert. Eine solche fast schon minimalistische Beschreibung von Anforderungen an ein Labor muss bei genauer Betrachtung kritisch hinterfragt werden, weil es in Österreich auch keine gesetzliche Pflicht für die Implementierung einer Qualitätsnorm in medizinisch diagnostischen Laboren gibt.

Als qualitatives Leistungsmerkmal für Testkits ist die Verwendung von CE-zertifizierten Tests empfohlen. Jedoch ist bekannt, dass alle Tests auf SARS-CoV-2 laut Anhang II der EU-Richtlinie 98/79/EG als „sonstige in-vitro Diagnostika (IVD´s)“ klassifiziert werden und eine Zulassung ohne Konformitätsbewertungsverfahren durch eine Benannte Stelle erfolgt.

Es ist also davon auszugehen, dass in einem solchen erleichterten Zulassungsverfahren bei IVD’s diese Tests keine oder eine nur sehr kurze klinischen Erprobungsphase durchlaufen haben [7]. 

Am Ende des Analytischen Prozesses steht die Postanalytik, dies bedeutet im Falle eines jeden anderen Laborparameters, dass wir die Ergebnisse technisch validieren und im Hinblick auf das klinische Bild in Zusammenarbeit mit den Labormedizinern auf Plausibilität prüfen.

Wie ist jedoch die Situation bei einem positive PCR Test auf SARS-Cov-2? Alle Grundregeln der guten klinischen Praxis sind ausgehebelt. Die Gesetzeslage ist klar definiert: bei Nichtmeldung des Bekanntwerden einer meldepflichtigen Krankheit macht sich jenes Labor und auch die damit betrauten Mitarbeiter strafbar [8]. 

Meine äußerst kurze Darstellung der Qualitätsprozesse, die notwendig sind um einen einwandfreien Befund, nicht nur in der Diagnostik von COVID-19, in einem Labor erstellen zu können, sind derart komplex und somit nicht von Neoexperten in Schlüsselpositionen der Regierung zu bewerten. Außer Acht ist in dem ganzen Prozess immer die Patientensicherheit geblieben. Wer übernimmt oder übernahm jemals die Verantwortung für die enormen Folgen eines möglicherweise falschen oder klinisch irrelevanten Befundes eines Menschen? Existenzen, das gesellschaftliches Leben und viele andere Dinge sind bereits zerstört.

Einen Appell darf ich auch an meine Berufskolleginnen und Kollegen richten: Wollen wir in dieser Sache als „Messknechte“ in die Geschichte eingehen? Oder wäre es nicht wirklich höchste Zeit endlich aus dem Labor zu kommen um einige Dinge klar zu stellen.

Mein Fazit als Biomedizinische Analytikerin – der größte Laborskandal der Geschichte!

Quellen

[1] Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Österreichische Teststrategie SARS-CoV-2, Version vom 14.8.2020. [zitiert 2020 Sep 25]. Verfügbar unter: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html
[2] Hallbach, J. (2019): Klinische Chemie und Hämatologie, Biomedizinische Analytik für MTLA und Studium, 4. Auflage, Stuttgart: Thieme Verlag. 
[3] MTD Gesetz, Fassung vom 26.9.2020. [zitiert 2020 Sep 26]. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010701
[4] Deutsches Netzwerk Evidenzbasierter Medizin e.V., Stellungnahme COVID-19: Wo ist die Evidenz? [zitiert 2020 Sep 26]. Verfügbar unter: https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/covid-19
[5] Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Empfehlungen zur PCR Testung auf Infektion mit SARS-CoV-2, Version vom 29.4.2020. [zitiert 2020 Sep 26]. Verfügbar unter: https://www.wko.at/branchen/t/handel/Empfehlungen-zur-PCR-Testung-auf-Infektion-mit-SARS_290420.pdf
[6] Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung medizinisch-diagnostischer Untersuchungen (ÖQUASTA), Gesamtbericht, 1. Durchgang des Rundversuches SARS-CoV-2 Virusgenomnachweis, 8.6.2020. [zitiert 2020 Sep 26]. Verfügbar unter: https://oequasta.at/de/
[7] VERORDNUNG (EU) 2017/746 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission [zitiert 2020 Sep 26]. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX%3A32017R0746
[8] Epidemiegesetz 1950, aktuelle Fassung [zitiert am 26.9.2020]. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010265

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