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Leid in allen Generationen: Wie die Corona-Maßnahmen das Leben meiner Familie bedrohen

Meine MAMA: 85 Jahre
Letztes Jahr hatte meine Mama eine Phase, in der es ihr nicht gut ging. Emotional in erster Linie. Sie dachte über Vergangenes nach, sortierte Erfahrungen und klang manchmal seltsam. Ich lebe seit Jahren im Ausland, aber das bewog mich dazu, nach ihr zu sehen. Anfang März wollte ich wieder aufbrechen, da wieder alles im Lot zu sein schien. Sie hatte eine gute Putzfrau, die zweimal pro Woche bei ihr sauber machte, den Rest konnte sie alleine gut bewerkstelligen.
Meine Mama hat ihr ganzes Leben lang gearbeitet. Erst auf dem elterlichen Bauernhof, dann als Näherin, dann als Haushälterin bei einer Familie mit 11 Kindern, dann als unsere Mama (ich habe zwei Geschwister) und nebenbei hat sie jeden Tag bis um eins in der Nacht Heimarbeit für die Stickerei gemacht.
An dem Tag, an dem ich unseren Neuseelandflug buchen wollte, kam der Shutdown. Die ersten zwei Tage war Mama ganz locker (und ich sehr froh darüber). Sie sagte auf meine Frage, ob sie Angst vor dem Virus hat: „Ach nein. Wozu. Ich hatte ein langes, gutes Leben. Ich bin 85. An irgendwas muss ich ja irgendwann sterben. Ob nun dieser Virus oder der nächste.” Und lachte.

Dann hörte sie zwei Tage dem Kurz in seiner Pressekonferenz zu. Sie tat, was er sagte (was sie verstanden hat), nämlich die Tür zu sperren, keinen mehr reinlassen (keine Putzfrau und auch uns nicht), die Lebensmittel mussten wir vor der Tür abstellen und ihre regelmäßigen Arztbesuche machte sie auch nicht mehr. Ihre Grauer-Star-OP wurde abgesagt. Wir durften nur noch mit ein paar Meter Sicherheitsabstand aus dem Garten mit ihr reden.
Nach dem Shutdown war meine Mama erstens fast blind, konnte kaum noch laufen und war schon ein paar Mal unkontrolliert umgefallen, wie in einer Art Sekundenschlaf (sie hat sich Gottseidank nichts gebrochen, sondern war nur blau im ganzen Gesicht und am Körper). Ich brauchte eine Woche, um sie zu überreden, zum Arzt zu gehen. Sie wollte den Arzt nicht stören, der wie sie sagte (oder war es Herr Kurz?) ja völlig mit Corona-Patienten überfordert sei. Zu der Zeit konnte sie bereits kaum noch laufen, da ihre Neuropathie sich sehr verschlimmert hatte und ihr Körper insgesamt verändert war.
Wir brachten sie am Wochenende zum Notdienst, der meinte, es könnte sich um eine Darmblutung handeln und sie sei in Lebensgefahr. Seither, also seit Mitte Juni, ist meine Mama 80% der Zeit im Spital gewesen. Erst dieses Umfallen. Grund: viel zu niedriger Hämoglobin-Wert im Blut. Hätte man wohl erkannt, wenn sie nicht 2,5 Monate nicht mehr beim Arzt gewesen wäre… Um den Grund herauszufinden musste sie alle möglichen Untersuchungen erdulden. Unter anderem eine Magen- und Darmspiegelung. Sie durfte nicht besucht werden. An der Tür vom Krankenhaus stand ein 2 Meter großer, 110 kg schwerer Security-Mann, der mir sagte: “Ich befolge nur Anordnungen.” Ob er weiß, welche Art Monster das zuletzt gesagt hat, habe ich ihn gefragt.

Danach war ich damit beschäftigt, eine 24-Stunden-Pflege für Mama zu organisieren. Fast blind sein, unkontrolliert umfallen, nicht mehr als 3,4 Schritte gehen können und kein Gefühl mehr in den Händen haben und deshalb Dinge (z.B. rohe Eier) fallen lassen, ohne sich bücken zu können, um zu putzen…
Dann war Mama ein paar Tage zu Hause. Dann im Spital… erst wegen Durchfall wie Wasser, unerklärlich woher und weshalb. Dann wegen unerklärlich hohem Blutdruck. Dann wegen unerklärlich niedrigem Blutdruck. Dann, weil man ihr Zehen amputieren musste, Diabetes aus dem Nichts… Dann wieder wegen Kopfweh… und wieder umfallen…
Als sie das erste Mal rein kam, hatte sie 9 Tabletten täglich zu nehmen. Jetzt sind es 22. Zwei-und-zwanzig!! Das letzte Mal, als ich sie zu Hause besucht habe, sagte sie mir, sie habe solche Angstzustände. Nach dem Lesen der ersten drei Packungsbeilagen, auf denen unter „Nebenwirkungen“ jeweils stand, 1 von 10 Patienten leiden unter Angstzuständen, habe ich ihr gesagt, sie müsse damit zurechtkommen. Ich hatte vorher bereits beim Oberarzt deswegen interveniert, nachdem sie selbst den Arzt gebeten hatte, die Tabletten zu reduzieren, und seine Antwort war: „Das geht nicht. Sie braucht die alle.”
Ach ja, bevor ich es vergesse… zuletzt war die Frau im Zimmer neben Mama Corona-positiv … Im Moment ist sie zu Hause. Es geht ein bisschen besser.

Mein SOHN:
Mein Sohn war Fahrlehrer und entschloss sich dazu, zu studieren. Er machte erst die Studienberechtigungsprüfung und ging nach Wien, um Kultur- und Sozialanthropologie zu studieren und Dokumentationen über Menschen zu drehen.
Er lebt mit einer Störung, die ihm nicht erlaubt, längere Zeit am Computer zu sein, weshalb er immer die Vorlesungen mit Anwesenheit gemacht hat. Außerdem braucht er andere Menschen um sich, da er sonst psychisch darunter leidet. 
Aufgrund eines Impfschadens lebt er mit allen möglichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wegen denen er zuletzt bis auf Haut und Knochen abgemagert ist. Das Fitness-Center war sonst eine Möglichkeit, das etwas im Griff zu haben. 
Aufgrund einer missglückten Nasen-OP bekommt er schlecht Luft und hat eine Zwangsstörung, wegen der er sich dauernd, oft stundenlang, an die Nase fassen muss.
Er musste sein Studium abbrechen, kann nicht mehr nebenbei als Fahrlehrer jobben, hat keine Sozialkontakte mehr und versucht, irgendwie mit allem zurecht zu kommen.

Meine TOCHTER:
Sie war gerade dabei, ihre Selbständigkeit aufzubauen. Jetzt ist sie zurück zum Hofer. Da gibt es ein sicheres Einkommen. Das braucht sie auch, wegen ihrem Partner.

Mein SCHWIEGERSOHN:
Er hatte ein gut gehendes Geschäft mit 12 Mitarbeitern. Der erste Shutdown hat sein Unternehmen alle Aufträge gekostet. Dann hat er sich irgendwie hochgerappelt. Wie wir jetzt erfahren haben, hat ihm sein Arzt Tropfen gegen eine Depression verschrieben, die nur leider hochgradig süchtig machen.
Deshalb mussten wir ihn vor zwei Wochen in Lebensgefahr in eine Klinik einweisen. Sein Geschäft ist jetzt gestorben. Auf die Unterstützung wartet er heute noch. Die Mitarbeiter haben ihren Job verloren. Er kämpft um sein Leben. Die Beiden müssen aus der Wohnung sofort raus, da er sie nicht mehr zahlen konnte. Was mit seinen Pferden passiert, wissen wir noch nicht.
Meine ältere Tochter hat sich vor kurzem noch Kinder gewünscht. Jetzt nicht mehr.

Meine JÜNGSTE:
Sie hat sich letzten Winter entschieden, Kindergärtnerin zu werden und hat sich ganz selbständig drei Praktikums-Möglichkeiten in Kindergärten geangelt. Sie hat sich sehr drauf gefreut. Genau am Tag vor dem ersten Praktikumsstart kam der Shutdown. Nach dem Öffnen hieß es überall: Wir dürfen leider vor 2021 keine Praktikantinnen mehr herein lassen…

Ich …
… bin seit 10 Jahren Single und seit 15 Jahren alleinerziehend. Ich hätte mir die letzten Monate sehr oft eine Schulter gewünscht, um mich auszuheulen. Und ich kann gar nicht sagen, wie wütend und verzweifelt und traurig ich oft war in den letzten Monaten. Es schmerzt zu sehen, wo wir als menschliche Gemeinschaft auf diesem Planeten tatsächlich stehen. Aber es ist auch gut, der Realität ins Auge zu sehen. Solange man so tut, als ob alles in Ordnung ist und die Dinge nur im Verborgenen werken, kann man sie ja nicht klären und sich entwickeln. Ich bin dafür, dass wir die Scheiße anpacken und dass wir Licht in die Sache bringen und mit dem Licht das unlichte Gesindel dahin verscheuchen, wo es keinen Schaden mehr anrichten kann oder wo es erkennen kann, dass es eigentlich auch Seele, Herz und Verstand hat.

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