Das katholische Erbe unseres Landes prägt auch die heutige Politiker-Generation, so wie es – meist subtil und untergründig – trotz zahlreicher Kirchenaustritte weiterhin in großen Teilen der österreichischen Bevölkerung wirkt. Das erklärt auch, warum der türkis-schwarze Bundeskanzler und der grüne Gesundheitsminister den von ihnen geplanten Corona-Versöhnungsprozess just zu Ostern starten wollen. Der Begriff „versöhnen“ stammt etymologisch von versühnen und damit von Sühne ab. Sühne steht für Vergeltung und Genugtuung.
Der Vorschlag der Regierung hat den FPÖ-Parteichef nicht nur zum Wortspiel „Verhöhnung statt Versöhnung“ angeregt, sondern ihn auch veranlasst, von den Verantwortlichen Buße in Form ihres Rücktritts und dem Abhalten von Neuwahlen zu fordern.
Das alles zeigt, dass die Gräben tiefer sind als sich mancher wünschen würde und eine erfolgreiche Aufarbeitung vor zahlreiche Fallen gestellt ist, die sich nicht von heute auf morgen abbauen lassen. Notwendig ist sie dennoch allemal. Denn weder Verschweigen noch Vergeben und Vergessen sind probate Mittel, um all das wieder ins Lot zu bringen, was den Menschen dieses Landes durch zahlreiche und zum Großteil übertriebene und erfolglose Maßnahmen in Sachen Covid-19 angetan wurde. Und was noch schwerer wiegt, ist das von Seiten der verantwortlichen Politiker und der meisten Medien betriebene Bashing auf all jene, die sich der Regierungssichtweise nicht anschließen wollten. Hier wurden die oben angesprochenen Gräben geschaffen und mit jeder weiteren Maßnahme den „Abtrünnigen“ gegenüber breiter und tiefer geschaufelt.
Die Einleitung eines Versöhnungsprozesses setzt einiges voraus, darunter die Bereitschaft aller Betroffenen, sich mit ganzer Kraft daran zu beteiligen sowie eine für beide Seiten akzeptable Lösung herbeizuführen. Auch eine Entschuldigung zumindest für all das, was sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat, ist eine wesentliche Voraussetzung, um einen erfolgreichen Versöhnungsprozess einzuleiten.
So manch ein Konfliktbegleiter oder Mediator meint auch, dass zuerst noch einmal abgerechnet und ordentlich Schmutzwäsche gewaschen werden muss, die Emotionen also auf den Tisch müssen, um dann wirklich an der Sache arbeiten zu können. Auch dem müsste sich die Politik stellen.
Man kann zwar aus seinen Fehlern lernen und in Zukunft alles besser machen (wollen), aber manchmal bleibt doch nur der Weg, seine Fehler einzugestehen und die nötigen Konsequenzen zu ziehen, um diesem Eingeständnis auch die richtige Bedeutung zu geben. Im Fall der verantwortlichen Politiker führt meines Erachtens letztlich – am besten am Ende eines ehrlichen Aufarbeitungsprozesses – nichts an deren Rücktritt vorbei. Der Bevölkerung sollte zudem die Möglichkeit gegeben werden, in einem Wahlgang, jenen das Vertrauen auszusprechen, denen sie in solchen Extremsituationen zutraut, angemessen und vor allem menschlich zu agieren.
Denn: Weder ein An-den-Pranger-Stellen oder ein Schauprozess einerseits noch ein nur alibimäßiges Versöhnungs-Verfahren andererseits werden dazu beitragen, dass die Wunden der letzten drei Jahre Heilung erfahren. Was es dazu noch brauchen wird, ist Zeit, wohl auch über den nächsten Wahltag 2024 hinaus.
Hier sind Reaktionen aus Österreich zum Vorschlag des Bundeskanzlers zu finden:
https://auf1.info/versoehnung-wie-reagieren-oesterreichs-corona-kritiker-auf-karl-nehammer/