War es denn tatsächlich anders zu erwarten?
Nicht wirklich!
Das österreichische Staatsoberhaupt fühlt sich durch seine Wiederwahl schon im ersten Wahlgang in seinem Umgang mit der Wirklichkeit bestätigt und übt sich weiterhin in „business as usual“. Das bedeutet, dass er in seiner Ansprache zum Nationalfeiertag, die „Österreicherinnen und Österreicher und alle, die in Österreich leben“ mit bedächtiger Stimme einzulullen versucht.
Darin zeigt er uns am Anfang seine Sicht auf Transparenz und führt uns in einer Art Homestory hinter seine Tapetentür – bloß geht er nach deren Öffnen voraus und lässt uns Besucher hinter der zufallenden Tür zurück. Schnitt. Und wir sind dann doch plötzlich mitten in seinem Büro samt Platz für den ersten Hund im Staat, der aber gerade „Äußerln“ ist – mutmaßlich in Begleitung eines Cobra-Beamten.
Die „Ungewöhnlichkeiten“, die er in seinen weiteren Ausführungen beschreibt, sind nichts anderes als Skandale und Zumutungen, die nicht per se als solche gelten müssten, hätten nicht die handelnden Personen durch ihr Agieren die Sache zu solchen Katastrophen werden lassen. Die Rede ist von Ibiza, Chat-Affäre, einer zur Pandemie erklärten Virusinfektion, einem durch das Handeln der Verantwortlichen vorhersehbaren Krieg in der Ukraine und den daraus resultierenden Folgen wie Teuerung und Energiekrise. Auch der „Klimanotstand“ darf nicht fehlen. Wobei ich hier eher einen Notstand im politischen und gesellschaftlichen Klima in Österreich, der EU, ja ganz Europa und auch bei so manch anderem Player auf unserem Planeten sehe. Und hinter all dem stecken Menschen und nicht Gott oder gar der Teufel.
Daran erinnert uns HBP auch liebevoll, in dem er auf die Menschenrechte und die Verfassung verweist, die uns allen hier in Österreich garantieren, dass es mit rechten Dingen zugeht. Wir können es gerne mit Goethes Faust halten und ein Zitat ins Gegenteil verkehren, nämlich immer das Gute zu wollen und doch immer das Böse zu schaffen. Aber mit gemeinsamen Prinzipien müsste es doch gelingen, genau das zu verhindern, meint der erste Mann im Staat und strapaziert einmal mehr den Begriff „Solidarität“. Wohin diese uns in den letzten mehr als zwei Jahren geführt hat, lässt sich an einer gespaltenen Gesellschaft und traumatisierten Jugendlichen mehr als deutlich erkennen. Seine Idee, sich an den Kindern, die neugierig und voller Fragen sind, zu orientieren, ist damit Schnee von gestern. Oder meint er mit seinen diesbezüglichen Worten doch, dass wir uns einfach fügen sollen, wenn er sagt, dass wir nicht aufhören sollten, wie sie dazuzulernen.
Sein Rezept sei es, nicht ständig „Killer-Fragen“ zu stellen und nicht die eine Lösung zu suchen, sondern die vielen kleinen Lösungen zu finden. Lösungsorientierung statt Problemtrance also. Da hat er wohl die Rechnung ohne die gemacht, die diese Welt regieren. Denen ist es nämlich ganz und gar wichtig, dass wir uns an den Problemen aufreiben, unsere Hoffnungen fahren lassen und uns dem ergeben, was man uns alltäglich als alternativloses Narrativ serviert.
Ist es jetzt eine Killer-Frage, wenn ich mal genau wissen will, wie unser Staatsoberhaupt seine Zusage versteht, dass man niemanden zurücklassen werde, wenn man doch alltäglich die Zurückgelassenen durch die Straßen unseres Landes taumeln sieht? Ist es zulässig zu fragen, was gleiche Rechte und Würde bedeuten, angesichts der Tatsache, dass sich eine Rechtssprechung zunehmend an den Machthabern orientiert bzw. jene, die besitzen, sich im Dschungel des Rechtsstaates besser behaupten können als die, die sich keinen Rechtsvertreter leisten können?
„Kann das jetzt alles bitte aufhören“, legt uns der Bundespräsident in den Mund. Ja, das wünsche ich mir sehr. Vor allem sollten Sonntagsreden wie diese endlich aufhören und der Grundsatz ins Land ziehen, der da lautet: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“
Wobei: Einen Aufruf aus der Rede möchte ich abschließend doch aufgreifen und ihn uns allen ans Herz legen. Suchen wir doch nicht die eine Lösung bei den Verantwortlichen, sondern finden wir die vielen, kleinen Antworten und Lösungen in unserem eigenen Leben in Kooperation mit den Konstruktiven und Zuversichtlichen, die gemeinsam an einer neuen, guten Welt bauen.