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Für Freiheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit

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Grundrechte
und Rechtsstaatlichkeit

Brief an einen Präsidenten, der zu lange schwieg

Sehr geehrter Herr Bundespräsident d.a.D.[1]!

Man erkennt die Absicht. Und ist verstimmt. Diese Neuauflage eines Heimat-bist-Du-großer-Söhne-Wahlkampfes mit hohlen Sprüchen und schönen Fotos. Die Österreich-Variante bewährten US-Campaignings soll vergessen machen, dass Sie zweieinhalb Jahre geschwiegen haben, als die Bürger dieses Landes tatsächliche eine couragierte Stimme gebraucht hätten, um sie von diesem schamlosen Raub ihrer Grund- und Freiheitsrechte zu schützen. Eine Stimme als Gegenpart zu einer Regierung und einigen ihrer Bundesländer-Vasallen, die sich nicht bewusst waren, welche katastrophalen Kollateralschäden sie bereit sind, in Kauf zu nehmen durch ihren ruinösen Politik-Dilettantismus.

Sie, Herr Bundespräsident, haben zu allem geschwiegen.

Zur Tatsache, dass es eine traumatisierte Kinder- und Jugendlichen-Generation gibt. Falls Sie es immer noch nicht glauben, fragen Sie nach bei Leiterinnen von psychiatrischen Kinderabteilungen, bei Psychologen und Therapeuten.

Sie, Herr Bundespräsident, haben dazu geschwiegen, dass diese Regierung, deren Aufsichtsratsvorsitzender Sie sein sollten, Verordnungen im Minutentakt erlassen hat, dass selbst dieser Obsession erlegene Berufsgruppen wie Juristen und sonst begnadeten Paragraphen-Würmern der Schweiß auf der Stirn stand. Kein Mensch konnte da noch den Überblick bewahren. Und keiner war gefeit vor Strafen, weil es aufgrund der Verordnungslawinen, die über unser Land donnerten, nicht mehr möglich war, auf dem neuesten Stand zu sein.

Zehntausende Betriebe und hunderttausende Arbeitsplätze sind im Schleudern. In einem Land, das zu Recht immer stolz auf die überdurchschnittlich große Anzahl erfolgreicher Klein- und Mittelbetriebe und EPU´s war. Ein Land, das immer stolz war auf ein duales Ausbildungssystem, aus dem exzellente Fachkräfte und Experten Sonderzahl hervorgingen.

Angst, Unterdrückung und Intransparenz

Sie, Herr Bundespräsident, haben dazu geschwiegen, dass Gewerbetreibende, Händler, Handwerker ihre Geschäfte zusperren mussten und ihre Mitarbeiter auf der Straße standen. Nein, Entschuldigung, fast schon vergessen. Selbstverständlich mussten die sich ja auch noch selber wegsperren – wegen der Gemeinwaffe „VirusXY“. Dasselbe machten demütigen Rektoren und Direktoren von Universitäten, Fachhochschulen und Lehrwerkstätten. Statt Aus- und Weiterbildung wurden Angst und Unterdrückung gelehrt. Statt Umsatz und Gewinn durch eigene Tüchtigkeit und Firmenerfolge zu lukrieren, wurde das Schweigen der Wirtschaft durch bis heute nicht restlos offengelegte Förderungen und Gewinn-Ersatzzahlungen erkauft.

Die Liste Ihrer Schweige-Kette ließe sich noch beliebig fortsetzen. Vielen von uns – nicht gebrochenen Staatsbürgern – stellt sich die Frage: Sind Sie ein Einzelfall eines Politikers, der gegenüber der Öffentlichkeit schweigt und nur in ausgewählten Zirkeln spricht? Hat sich in Österreich die Qualität der Repräsentanten der Bürger dermaßen verschoben, dass man glaubt, mit einigen Schönwetter-Sujets im Wahlkampf die anhaltende demokratische Ignoranz vergessen lassen zu können?

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, glauben Sie eigentlich, dass in Ihrer Amtszeit die Demokratie in Österreich besser geworden ist, durch Ihr aktives Zutun und Sie deshalb einen Anspruch auf Wiederwahl haben?

Anti-Raucher-Kampagne und mehr

Wenn Ihnen die Gesundheit der in Österreich lebenden Bevölkerung tatsächlich ein Anliegen gewesen wäre, hätten Sie in den vertraulichen Gesprächen hinter Ihrer Hofburg-Polstertür längst schon angeregt, dass es zu Informations- und Motivations-Kampagnen (ohne Druck und Zwang) für die hunderttausenden adipösen und fettleibigen Menschen hierzulande kommt, weil diese für jede Art von Erkrankung hoch anfällig sein können. Auch als Ketten-Raucher, der Sie angeblich sein sollen, hätten Sie eine Informations- und Motivationskampagne für die vielen süchtigen Raucher empfehlen können. Ja, Sie hätten vielleicht sogar mit gutem Beispiel vorangehen können. Ein Präsident, der seine Sucht in den Griff bekommt – und als Vorbild fungiert…

Das wären Bilder gewesen, die wesentlich mehr überzeugen, als die Berg-Roman-Bilder aus dem Kaunertal in Tirol.

Ihren Beitrag für den Schutz unserer demokratischen Qualität im Land und die Sorgfaltspflicht gegenüber der Bundesverfassung müssten Sie noch ausschildern, damit wir Wähler, damit das werte Publikum ihn erkennen kann.

Parlamentsarbeit wird verspottet

Wenn es 2022 Landeshauptleute gibt, die das Parlament und die parlamentarische Arbeit der Abgeordneten verspotten dürfen, ohne mit Rücktrittsforderungen konfrontiert zu werden, dann muss man die Vertrauensfrage stellen. Der steirische Newcomer in der erlauchten Riege der Landeshauptmänner plus Landeshauptfrau sagt wortwörtlich in einem Interview, als er auf die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse angesprochen wird: „Ich halte das für einen oppositionellen, parlamentarischen Lausbubenstreich…“![2] Da bleibt einem wirklich die sprichwörtliche Spucke weg. Diese abwertende Einstellung zur Parlamentsarbeit ist eines Landeshauptmannes nicht nur unwürdig, sondern Ausdruck einer unerträglichen Mir-san-mir-Haltung.

Kontrollrechte schmerzbefreit interpretiert

Da ist die (demokratiepolitische) Chuzpe, dass das Parlamentspräsidium ad personam die Vorsitzführung in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen übernimmt, nur noch ein ad-on. SPÖ-Bures und ÖVP-Sobotka als Dirigenten besonders sensibler Untersuchungsausschüsse. Das nennt man dann wohl schmerzbefreite Interpretation parlamentarischer Kontrollrechte. Das „wichtigste Kontrollinstrument des Parlaments“ (laut www.parlament.at) , die Untersuchungsausschüsse, werden von jenen angeführt, die – wie zuletzt im „Korruptions-Unterausschuss“ selbst kontrolliert werden sollten. Unvereinbar? Wer kommt denn auf so eine Idee.  In diesem Sinne könnten sich künftig eigentlich auch z.B. Maturanten, Masterarbeit-Studenten oder Führerschein-Kandidaten gleich selber benoten.

Zu dieser Denke passt auch Ihr kokettes und gleichzeitig gegenüber jüngeren Mitbewerbern untergriffiges, weil Anfälligkeit für Unberechenbarkeit und etwaige Bestechlichkeit insinuierendes Bonmot: „Ich brauche nichts mehr!“.

Das ist Ihr gutes Recht und sei Ihnen gegönnt.

Sümpfe trockenlegen

Aber, Herr Bundespräsident, wir, die wir uns zu den ungebrochenen Demokraten in diesem wunderbaren Land zählen, wir brauchen einen Präsidenten, der unsere Grund- und Freiheitsrechte ernst nimmt. Wir brauchen jemanden in der Hofburg, der noch aktiv sein will und kann. Einen, der – wie seine Vorgänger, zumindest weiß: „Macht braucht Kontrolle“(Präsident Dr. Klestil). Und: dass es selbstverständlich notwendig sein kann „Sümpfe trocken zu legen“(Präsident Dr. Kirchschläger).  

Der Corona-Sumpf schreit geradezu danach.

Doch zu all` dem gibt es von Ihnen bis heute keine Stellungnahme. Kein ernst zu nehmendes Wort, das die Sorgen und Ängste der Bürger würdigt. Und klare politische Konsequenzen fordert.

Kein einziges Wort, dass jeder Euro der großzügigen „Corona-Geschenke“ endlich transparent und für jeden Staatsbürger einsehbar, aufgelistet werden müssen.

Und schließlich auch kein Wort des Bedauerns über Fehleinschätzungen, die Hunderttausende traumatisiert und in den persönlichen wie wirtschaftlichen Ruin getrieben haben. Dass es somit auch keine einzige Äußerung von Ihnen zur politischen Verantwortung(slosigkeit) gab, darf daher niemanden wundern. Geschweige denn das Fehlen jeder ernsthaften Aussage zur politischen Moral und Ethik.

In einer intakten Demokratie sollte man jedoch darauf vertrauen dürfen, dass solche Werte diskutiert und eingefordert werden.

Dass das kein Thema für Sie ist, weder jetzt, noch in der Vergangenheit, dafür genügt ein Blick auf die Slogans Ihrer Romantik-pur-Kampagne. Sujets, die an eine billige Tourismus-Werbung oder an eine mittelprächtig abgekupferte amerikanische Campaigning-Vorlage erinnern. Die aber nichts mit einem Präsidentschaftskandidaten gemein haben, der einem Land im selbst verschuldeten Krisen-Modus Stabilität und Hoffnung geben möchte.

Sie, Herr Bundespräsident d.a.D., haben leider dazu beigetragen, dass die Demokratie in Österreich in eine gefährliche Schieflage geraten ist. Weshalb sollte man Ihnen jetzt auf einmal zutrauen, dass Sie einen demokratiepolitischen Qualitäts-Relaunche initiieren?

Insbesondere, wenn Sie schon kokett behaupten, dass Sie „nichts mehr brauchen“! Frage:  wozu dann die Hofburg?


[1] D.a.D. … neu kreierte Abkürzung für „demnächst außer Dienst“ – für das denkbare a.D. noch in diesem Jahr.

[2] K.-Interview vor wenigen Tagen.

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