Auf meinen aktuellen Beitrag zur bevorstehenden Wahl des Staatsoberhaupts, also des Bundespräsidenten, habe ich auch durchaus kritische Rückmeldungen bekommen. Sie betrafen allesamt die Sinnhaftigkeit des Wählen-Gehens in Zeiten, in denen die Meinung des Volkes „bei denen da oben“ ohnehin nichts mehr zählt.
Nachvollziehbar ist sie jedenfalls diese Sichtweise. In den letzten zweieinhalb Jahren haben sich die Schwächen unseres aktuellen demokratischen Systems massiv offenbart, in Zeiten großer Bedrohungen ist der Ruf nach einem starken (An-)Führer eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft. Andererseits leben wir auch in Zeiten einer fortschreitenden Individualisierung, die einem solchen (An-)Führer auch Grenzen setzt, nämlich dort, wo seine Entscheidungen den eigenen Lebensbereich über ein bestimmtes Maß oder einen bestimmten Zeitraum hinaus einschränken. In diesem Zusammenhang gibt es auch eine wachsende Gruppe von Menschen, die sich aus ihrer Sicht ganz aus unserem politischen System ausklinken – und es dennoch nicht wirklich tun. Denn die Goodies, die die öffentliche Hand verteilt, werden gerne genommen oder sogar weitere erwartet, ansonsten aber will man sich nicht mehr an den demokratischen Prozessen beteiligen. Das halte ich für inkonsequent. Eine radikale Haltung erfordert aus meiner Sicht auch radikale Schritte, also letztlich den Vollausstieg aus dem staatlichen System. Wie auch immer der erfolgen kann, dazu gibt es eine Menge Möglichkeiten, auch jene zum offiziellen „Staatsverweigerer“ zu werden, der dann strafrechtlich belangt werden kann. Damit ist aber nichts gewonnen. Es braucht intelligentere Lösungen.
Eine davon ist auch jene, sich mit Hilfe der Mittel unseres Systems politisch einzubringen und es auf diese Weise auch weiterentwickeln zu helfen. Die bevorstehenden Wahlen bieten eine Möglichkeit dazu, auch wenn das System so seine, durchaus eklatanten Schwächen hat. Die Wahl des Bundespräsidenten hat deswegen einen besonderen Stellenwert, weil hier eine Person und nicht eine Partei gewählt werden kann. Diese Person ist dann auch offensichtlich direkt dem Volk verantwortlich, immerhin kann der Bundespräsident laut Bundesverfassungsgesetz auch während seiner sechsjährigen Amtsperiode durch Volksabstimmung abgesetzt werden oder spätestens dann, wenn Neuwahlen anstehen, so wie heuer am 9. Oktober. Er kann sich nicht hinter einem Parteikürzel am Wahlzettel verstecken. Zur Ermöglichung von Alternativen gibt es jetzt ein Zeitfenster, in dem auch von Parteien unabhängige Kandidaten unterstützt werden können. Dieses wichtige Prozedere habe ich in meinem Beitrag beschrieben, es steht jeder und jedem offen – ich empfehle es hier nochmals ausdrücklich. Dieses „Persönlichkeitselement“ täte unserem demokratischen System auch in anderen Bereichen durchaus gut, ebenso die intelligente Verstärkung von direktdemokratischen Elementen, wobei man hier wohl wesentlich kleinräumiger, regionaler oder sogar lokaler denken sollte ohne das große Ganze (also eigentlich die ganze Welt) aus den Augen zu verlieren. Und auch Soziokratie, Holokratie oder Konsensieren sind schon im Kleinen erprobte Varianten, um dem bzw. der Einzelnen ein gehöriges Mitspracherecht aber damit auch ein große Mitverantwortung einzuräumen.
Wobei auch hier – wie eigentlich überall, wo es einen Wandel braucht, der Grundsatz gilt: Wie im Kleinen so im Großen. Also fangen wir mal ganz im Kleinen bei uns selber an. Die RESPEKT-Foren etwa bilden da eine gute Möglichkeit, sich mit wandelwilligen Gleich- oder Ähnlichgesinnten zu vernetzen, um an der Veränderung mitzuwirken. Und: Jeder Weg, und sei er auch noch so lange, beginnt mit dem ersten Schritt.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Österreich einen Bundespräsidenten braucht, der die Verfassung beherzt und kompetent vor den Übergriffen machtgeiler Politiker, Institutionen und sonstiger „Player“ schützt und damit den Menschen-, Grund- und Freiheitsrechten jenen Status zum Schutz der Österreicher gibt, der ihnen per se zusteht.