„Wenn man dir gibt, dann nimm. Und wenn man dir nimmt, dann schrei!“ hat mein Opa immer gesagt, wenn er mir Geld schenken wollte und ich meinte „das ist doch nicht nötig“. Doch damals habe ich noch nicht verstanden, was damit eigentlich gemeint ist. Ich habe mir stets gedacht: „Wer sollte mir denn etwas nehmen wollen?“, denn bis dahin wurde mir nur gegeben.
Ich habe das Glück, in Österreich geboren zu sein, eine Familie zu haben, die mich unterstützt und dafür sorgt, dass ich alles habe, damit es mir gut geht. All das wurde mir gegeben.
Mein Großvater ist mittlerweile vor fast drei Jahren verstorben. Doch immer öfter denke ich an ihn zurück und höre seine Stimme in meinen Ohren: „Wenn man dir gibt, dann nimm, wenn man dir nimmt, dann schrei!“ Denn mittlerweile habe ich gelernt, wie es sich anfühlt, wenn einem genommen wird. Ich befolge den Rat meines Großvaters und schreie in die Welt hinaus: „Man nimmt mir meine Freiheit!!!“
Doch das hätte ich mich nie getraut. Gegenüber meinen Eltern und meiner Familie habe ich nie gezögert „zu schreien“, wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte. Doch wenn es um „Fremde“ oder „Respektpersonen“ ging, dann verstummte ich immer unverzüglich und ärgerte mich lieber still und heimlich.
Bis hierhin und nicht weiter!
Im Gedenken an meinen Großvater habe ich allerdings beschlossen, dem ein Ende zu setzen! Von nun an werde ich schreien! Und zwar so lange, bis man mir zurückgibt, was man mir genommen hat und was mir zusteht.
Er wusste bei seiner Aussage genau, wie es sich anfühlte, wenn einem genommen wird. Denn er wuchs im Krieg als Sudetendeutscher auf, der aus seiner Heimat vertrieben wurde. Und dennoch hat er es geschafft, sich hier in Wien wieder etwas aufzubauen!
Sein Schicksal motiviert mich, nicht aufzugeben und für meine Freiheit zu kämpfen! Denn es zeigt mir, dass bloß, weil einem etwas genommen wird, man noch lange nicht aufgeben muss. Im Gegenteil, man muss dagegen ankämpfen und sich nicht unterkriegen lassen!
Selbstverständlich geht das nicht von einem Tag auf den anderen. Und die Erwartung, mit ein bisschen Anstrengung sofort das Ziel zu erreichen, wird bloß zu Enttäuschung führen. Deshalb sind es kleine Schritte, die wir gehen müssen, um nach und nach unserem Ziel näher zu kommen.
Mir wird etwas genommen. Meine Freiheit. Meine Freiheit, über meinen Körper zu entscheiden. Meine Freiheit, meine sozialen Beziehungen zu pflegen. Meine Freiheit, mein Leben zu leben, ohne dass dies an Bedingungen geknüpft ist.
Ich habe beschlossen, dem entgegenzuwirken. Einer der vielen kleinen Schritte, die ich gehen möchte, um meine Freiheit wiederzuerlangen, ist folgender:
Seit einigen Wochen trage ich keine Maske mehr, wenn ich in den Wiener Öffis unterwegs bin. Bis zum heutigen Tag wurde ich nie darauf angesprochen. Im Gegenteil: Nicht zu selten war die Reaktion meiner Mitreisenden, dass auch sie sich von ihrer Maske befreiten und mich anlächelten! Ich bekam also eine direkte „Belohnung“ dafür, dass ich Widerstand leistete. Nun kann man sagen: „ Pfff, die Maske in den Öffis nicht tragen, das ist deine große Tat? Was willst du denn damit erreichen?“
Doch ich bin davon überzeugt, dass ich auch damit etwas erreiche. Ich sende ein Signal an andere Menschen, die das Gefühl haben, dass man ihnen nimmt. Ich zeige ihnen, dass sie nicht allein sind und dass wir nicht mitmachen müssen, uns nicht unsere Freiheit nehmen lassen müssen!
Natürlich gibt es Rückschläge
Heute war das erste Mal, dass ich eine gegenteilige Erfahrung gemacht habe. Ein Mann in der U-Bahn hat mich angesprochen und meinte: „Die Maske können Sie aber schon aufsetzen.“
Ich habe „Nein“ erwidert.
Seine Entgegnung war: „Na toll, schon wieder so eine FPÖ-Wähler slash Querdenkerin“.
„Die FPÖ vertritt bezüglich Masken zwar meine Meinung, aber ich würde nie FPÖ wählen. Ich war eigentlich immer Grün-Wählerin“ habe ich darauf freundlich geantwortet.
Und so begann die Diskussion.
Zu meiner nicht allzu großen Überraschung ging es weiter mit „Sie sind unsozial, wenn Sie die Maske nicht tragen“, „Es geht hier nicht um Sie, sondern um die anderen“, „Was Sie tun, ist undemokratisch, denn der demokratisch gewählte Bürgermeister Wiens hat die Maskenpflicht eingeführt. Wenn Sie also keine Maske tragen, verspotten Sie die Demokratie“, „Masken bringen sehr wohl was und das wüssten Sie, wenn Sie was anderes als FPÖ-Studien lesen würden“, „Es ist eine Sache der Höflichkeit und des Respekts, die Maske zu tragen“ und zu guter Letzt „Sie sollten sich schämen, Sie sind hier die Einzige, die keine Maske trägt!“
Auf jede dieser Anschuldigungen hatte ich ein Gegenargument parat, doch diese hat sich der junge Herr nicht einmal angehört, ehe er mir mit der nächsten Anschuldigung ins Wort gefallen ist. Zwischendurch hat sich dann auch ein älterer Herr in unser Gespräch eingemischt und sich den Vorwürfen des Maskenmahners angeschlossen.
Ich möchte nicht lügen, das waren die längsten drei Stationen, die ich je in einer U-Bahn verbracht habe und zig-Male habe ich mir gedacht, ob ich nicht einfach in den nächsten Waggon umsteigen oder die Maske aufsetzen sollte. Aber das habe ich nicht getan! Stattdessen bin ich standhaft geblieben und habe versucht, mir nicht anmerken zu lassen, dass sich meine Knie weich wie Butter anfühlten und mein Herz raste.
Die schlechten Erfahrungen zeigen unsere Stärke
Sobald ich ausgestiegen war, stiegen mir die Tränen in die Augen und ich merkte erst, wie sehr mir diese fünfminütige U-Bahn Fahrt zugesetzt hatte. Doch gleichzeitig war ich wahnsinnig stolz! Denn ich habe nicht aufgegeben! Und es hat funktioniert!
So unangenehm diese Situation also auch war, ich bin davon überzeugt, dass es das wert war, sie durchzustehen. Denn damit habe ich dem belehrenden Herrn gezeigt, dass ich mich nicht so leicht unterkriegen lasse. Und mir selbst, dass ich mich erfolgreich für meine Rechte einsetzen kann, wenn auch in kleinem Rahmen.
Natürlich könnte man es so sehen, dass dies lediglich unbedeutende fünf Minuten in einer U-Bahn waren, die einen verärgerten Maßnahmenbefürworter zum Ergebnis hatten. Oder aber, und dazu habe ich mich entschieden, man sieht es als Teil etwas Größeren. Denn wenn all jene Menschen, die mir in der U-Bahn zulächeln, wenn ich ohne Maske zusteige, das gleiche machen wie ich und für ihren Standpunkt und ihre Rechte aufstehen, dann werden die belehrenden Regelliebhaber sehen, wie viele wir eigentlich sind und dass wir uns nicht so einfach unterkriegen lassen wie gedacht! Denn wenn man uns nimmt, dann schreien wir! Ganz laut! Bis man uns zurück gibt, was man uns genommen hat!