Diese Weisheit gilt in Zeiten wie diesen ganz besonders, auch wenn die Erlebnisse mitunter weniger angenehm sind als gewünscht. Zudem ist man, wenn man Landesgrenzen überqueren will, immer auch mit der Ungewissheit unterwegs, ob man tatsächlich in das gewünschte Land einreisen darf oder wie man sich im Fall einer maßnahmenbedingten Hinderung verhalten soll: unwissend, aggressiv, zivilcouragiert, entschuldigend oder …
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf und einem durchaus angespannten, gestressten Hintergrundgefühl machten meine Frau, unser Sohn und ich uns kürzlich auf den Weg von Österreich nach Finnland, um unsere Verwandten, die wir schon knapp sechs Jahre nicht mehr gesehen hatten, zu besuchen. Diesmal hatten wir den Land- und Seeweg für unsere Reiseroute ausgewählt. Die erste Etappe führte uns mit dem Zug über Linz, Passau und Nürnberg nach Travemünde. In Österreich war knapp davor die 3G-Einreiseregel gefallen, für Deutschland gab es unterschiedliche Vorgaben für Ein- und Durchreise, für Finnland waren laut Auskunft der finnischen Botschaft in Österreich keine Maßnahmen vorgesehen. Dennoch hatte uns die Reederei unserer Fähre kurz vor der Abreise wissen lassen, dass wir ein gültiges 3G-Zertifikat bereit halten sollten, denn es könne zu Kontrollen des Gesundheitsstatus an der Grenze zum Land im Norden kommen.
Wir aber entschieden uns, diese Info zu ignorieren und uns – so wie bisher überall die beiden Jahre – als gesunde Menschen 3G-los durch unser Leben und die Welt zu bewegen.
Als wir mit dem ICE Linz verließen, machte uns der Zugbegleiter mittels Lautsprecherdurchsage darauf aufmerksam, dass es im Bahnhof Passau zu einer Kontrolle der Reisedokumente durch die deutsche Polizei kommen werde, man wurde gebeten, zu kooperieren und die Unterlagen bereit zu halten. Trotz der sich in mir ausbreitenden inneren Unruhe und einer gewissen Befürchtung, dass unsere Reise möglicherweise schon an diesem Punkt zu Ende gehen könnte, blieb ich äußerlich gelassen und wartete, ob die angekündigte Überprüfung wirklich stattfinden würde – immerhin befinden wir uns ja immer noch im Schengenraum und der darin implizierten Reisefreiheit. Kurz nach der Ankunft im bayrischen Grenzort betraten zwei junge Polizeibeamte den Zug. Ich konnte beobachten, dass sie offenbar tatsächlich nur die Reisepässe checkten, richtig erleichtert war ich allerdings erst, als sie an uns vorbei waren und sich meine Beobachtung bestätigt hatte. Was sie tatsächlich im Fokus ihrer Grenzkontrolle hatten, waren Menschen von außerhalb der EU. Hier wurde geklärt, ob ein Aufenthaltstitel oder nur eine Durchreise vorliegt. Dieser Vorgang kostete uns rund zehn Minuten unserer Fahrzeit, eine Verspätung, die wir zwar nicht aufholten, die uns aber nichts ausmachte, weil wir in Nürnberg eine gute Stunde zum Umsteigen hatten.
Die weitere Zugfahrt verlief ohne nennenswerte Vorkommnisse, einzig und allein eine saftige Verspätung kostete uns fast den Anschlusszug von Lübeck nach Travemünde. Diesen erreichten wir aber dann doch in letzter Sekunde. Auch die notwendige Busfahrt vom Bahnhof zum Check-In im Hafengelände klappte vorzüglich, wir wurden freundlich begrüßt und durften kurze Zeit später in der Bar am Schiff auf unser erstes finnisches Bier Platz nehmen – und das endlich und erstmals maskenfrei (was uns in den Zügen zumindest offiziell noch versagt geblieben war).
Die Fährpassage startete dann mit mehr als drei Stunden Verspätung, weil es Probleme beim Verladen von Containern gab, die Reise selbst verlief aber kurzweilig und problemfrei. An Bord wurde das Tragen eines Mund-Nasenschutzes zwar empfohlen, es gab aber kaum jemanden unter den Passagieren, dem das auch tatsächlich notwendig erschien. Nach dem Verlassen der Fähre rund 30 Stunden später wurden wir mit unserem Gepäck von einem Kleinbus zur Grenzstation im Hafen von Helsinki gebracht. Dort stachen mir zwei Tafeln ins Auge: eine grüne mit der Aufschrift „Reisende mit Covid19-Zertifikaten“ und eine rote, auf der in großen Lettern „Für Passagiere ohne Zertifikat“ prangte. Die beiden darunter liegenden Häuschen für die Beamten waren allerdings leer, wie ich mit einem kurzen Rundblick feststellen konnte, war auch weit und breit kein Test-Container zu sehen. Mit der durch diese unerwartete Wendung in Sachen C wieder angewachsenen Spannung stiegen wir aus dem Auto, luden unsere Koffer aus und warteten, wie es weitergehen sollte. Wenig später kam eine Frau mit einem Clipboard auf uns zu, um unsere Pässe einzusehen. Danach fragte sie nach unseren Zertifikaten. Die weitere Unterhaltung überließ ich – des Finnischen nicht mächtig – meiner Frau. Sie wurde, wie sie mir später erzählte, nach entsprechenden 3G-Nachweisen gefragt. Ihr jeweiliges Nein führte bei der Beamtin des Finnischen Gesundheitsdienstes THL zu Verblüffung und Verwirrung. Ihre Angabe, dass wir zum Familien-Mökki unterwegs seien, führte dann dazu, dass sie meiner Gattin ein A4-Informationsblatt in den beiden Amtssprachen Finnisch und Schwedisch in die Hand drückte, auf dem detailliert beschrieben stand, welche Test-Erfordernisse nach dem Grenzübertritt zur eigenen Sicherheit erforderlich seien. Dann ließ sie uns stehen – und ich fragte meine Frau – noch ein wenig besorgt, wie ich zugeben muss – ob wir jetzt endlich „frei“ wären. Zu meiner Erleichterung bejahrte sie meine Frage.
Wir waren also endlich, ganz ohne einen Nachweis erbringen zu müssen, als gesunde Menschen an unserem Ziel gelandet. Die von den Behörden im Merkblatt geforderten C-Tests nach Einreise und 3–5 Tage später ließen wir aus und begaben uns mit Bahn und Bus aufs Land ins Familienmökki mitten im Wald.
Mir ließen die widersprüchlichen Infos zu den finnischen Einreisebestimmungen keine Ruhe und so recherchierte ich, kam aber auch zu keinem eindeutigen Ergebnis. Einerseits gelten laut der englischen Website der THL C-Einreisebestimmungen nur für Menschen, die von außerhalb der EU und des Schengenraumes (was ja an sich schon diskriminierend ist) nach Finnland kommen – wobei finnische Bürger, Menschen mit Wohnsitz in Finnland und „persons travelling for essential reasons“ ausgenommen sind – andererseits wird kurz danach unter dem Titel „health security measures after border control“ aber die Notwendigkeit eines 3G-Nachweises betont. Es gibt also offenbar – wenn ich es richtig verstehe – einen Unterschied zwischen Grenzkontrolle (kein Nachweis) und Notwendigkeiten nach der Grenzkontrolle (Nachweis). Wie gut, dass wir von der zuständigen Beamtin schon beim Grenzübertritt überprüft wurden und nicht gleich danach. Also auch in Finnland gelten – wie man sieht – Bestimmungen, die zu Verwirrung und Verunsicherung beitragen und die wohl dazu führen sollen, sich sicherheitshalber eines der beschriebenen C-Zertifikate zu organisieren.
Nachdem wir den Reisestress aus Körper, Geist und Seele abgeschüttelt haben, genießen wir unseren maßnahmenfreien Aufenthalt im Heimatland meiner Frau und hoffen, dass sich während unseres Aufenthaltes keine weiteren Verschärfungen ergeben. An die Rückreise nach Österreich denken wir angesichts der dortigen aktuellen Entwicklungen derzeit noch nicht. Während Finnland mit 1. Juni den Grünen Pass endgültig ins Off geschickt hat, erfreut sich unser Gesundheitsminister gerade daran, eben jene Bestimmungen nochmals fester zu zurren. Und damit daran zu arbeiten, dass Österreich wohl auch im nächsten Ranking der glücklichsten Länder der Welt (in dem Finnland seit Jahren an erster Stelle steht) weiter an Boden verlieren wird.