Seit dem 1. März ist keine 3G-Regel mehr zu erfüllen, um die Universität Wien betreten zu können. Es herrscht jedoch weiterhin FFP2-Maskenpflicht. Ich habe ein ärztliches Attest, das mich vom Tragen einer Maske befreit. So gehe ich am Montag, den 21. März, an die Universität. Nachdem ich drei Stunden per Zug angereist und auch ohne Maske mit der Straßenbahnlinie D vom Hauptbahnhof zum Schottentor gefahren bin, klopft mir das Herz. Ich bleibe vor der Universität stehen und atme einmal tief durch. Die Sonne spiegelt sich in den Fenstern des alten Gemäuers, ich sehe die Treppen zum Haupteingang hoch, gehe jedoch daran vorbei und betrete die Universität durch einen Nebeneingang. Ich steige die Treppen hinauf, während ich mir vorstelle, wie ich im Lesesaal sitze. Ich gehe nochmals geistig durch, was ich zum Bibliothekspersonal sagen werde und lächle Menschen an, die maskiert an mir vorbeigehen. Angelangt vor der Tür zur Fachbereichsbibliothek, verharre ich nochmals. Das Herz pocht in meiner Brust. Ich öffne die Türe und trete ein, desinfiziere mir die Hände während ich den Bibliotheksangestellten grüße. Er telefoniert gerade, also warte ich mit entsprechendem Abstand vor dem Plexiglas. Er beendet das Telefonat und ich bringe mein Anliegen vor: „Ich hätte gerne einen Schlüssel.“ (Es besteht Garderobenpflicht, möchte man den Lesesaal benutzen) Meinen Studentenausweis halte ich bereits in der Hand. Er sieht mich an, macht keine Anstalten mir einen Schlüssel zu geben und meint stattdessen: „Es besteht jedoch schon FFP2-Maskenpflicht an der Universität Wien. Vor allem in den Lesesälen.“ „Ja, ich weiß. Ich trage aus gesundheitlichen Gründen keine Maske.“ „Ja, aber dann können Sie nicht in die Bibliothek. An der Universität Wien gilt Maskenpflicht.“ Ich rede noch etwas mit ihm. Zähle ihm die Paragraphen der aktuellen Verordnungen auf, inklusive der Ausnahmen. Doch er bleibt dabei, er dürfe mich nicht hineinlassen. Zuerst ist er noch objektiv, gibt nur weiter, was die Universität vorschreibt. Doch gegen Ende des Gesprächs wird er plötzlich persönlich und meint noch zu mir, er selbst fände es auch nicht gut in der aktuellen Situation – aufgrund der hohen Fallzahlen – sich ohne Maske in den Lesesaal zu setzen. Aus Selbstschutz. Da ich nicht weiß, was ich noch sagen soll, wünsche ich ihm einen schönen Tag und verlasse die Bibliothek.
Ernüchtert, enttäuscht, hilflos und traurig. Wie kann es sein, dass eine wissenschaftliche Institution so rigoros vorgeht und inhaltlich dasselbe erzählt, wie Massenmedien und Regierung? Da ich extra von Oberösterreich angereist bin mache ich eine Erholungspause im Sigmund-Freud-Park. Zu Mittag reserviere ich schließlich ein Ticket für die Hauptbibliothek der Universität Wien.
Mir ist etwas mulmig zumute als ich abermals die Treppen empor, dieses Mal in den rechten Flügel der Universität, steige. Ich stelle mich an, zeige mein Ticket und mir wird sofort ein Schlüssel ausgehändigt. „So einfach“, denke ich mir noch, „es wurde nicht einmal mein Ticket gescannt“. Freude beginnt sich in mir breit zu machen. Also darf ich doch an die Bibliothek. Ich überlege mir bereits, dass mein Plan wieder öfters an die Bibliothek zu fahren also doch nicht gescheitert ist, ich eben nur die Bibliothek wechseln muss. Ich gehe also mit meinen Lern-Unterlagen hinauf zum Lesesaal, da sehe ich bereits die Aufkleber: „Check-In“. Ach so, also wird das Ticket hier, direkt vor dem Eingang zum Lesesaal kontrolliert. Ich grüße die beiden Damen und möchte der Rechten bereits mein Ticket zeigen, da sagt sie an mich gewandt: „Wir haben Maskenpflicht an der Universität Wien.“ „Ja“, antworte ich, „und ich trage aus gesundheitlichen Gründen keine Maske.“ „Haben Sie ein Attest?“ Ich bestätige. Sie möchte es sehen. Also zeige ich es ihr. Sie liest es. „Das Attest ist aber von 2020“, ihr erster Kommentar. „Ja, und es ist immer noch gültig. An meinem Gesundheitsstatus hat sich nichts geändert.“ Sie liest noch immer. Sie müsse das abklären meint sie und beginnt zu telefonieren. Nach Beendigen des Telefonats sieht sie wieder auf und gibt mir mein Attest zurück. „Ich darf sie nicht hineinlassen. An der Universität Wien gelten keine ärztlichen Atteste zur Maskenbefreiung.“ „An der Universität Wien gelten keine Masken-Atteste?“, frage ich, „Laut den aktuellen Verordnungen jedoch gibt es Ausnahmen von der Maskenpflicht.“ „Ja, doch die Universität hat ein Hausrecht und es gelten keine Maskenatteste.“ Ich überlege … schließlich kenne ich Paragraph 9 … Ich erwidere: „Ich habe jedoch ein Grundrecht auf Gesundheit und ein Hausrecht stünde hierarchisch unter diesem Grundrecht.“ „Ja, aber ich darf Sie nicht hineinlassen.“ Ich probiere es anders, schließlich bin ich bereits auch körperlich erschöpft, nicht nur aufgrund der Zurückweisungen, sondern auch aufgrund der mehrstündigen Anreise, die ohne Maske zusätzlich Energie fordert. „Nun, ich kann es nicht nachvollziehen. Andere öffentliche Institutionen akzeptieren das Attest. Wie kann es sein, dass die Universität Wien es als eine der wenigen öffentlichen Institutionen nicht akzeptiert.“ Sie sieht mich nur an und meint abermals. „Sie dürfen die Bibliothek nicht betreten.“ Ich verlasse den Check-In, die Bibliothek sowie die Universität Wien.
Wie soll ich als ordentliche Studentin an der Universität Wien studieren, wenn ich die Universität nicht betreten darf? Die Online-Streams werden immer weniger. Ich erinnere mich noch an die Situation im Herbst 2020. Damals wurde mir gesagt, ich dürfe mit dem Maskenbefreiungsattest lediglich präsenzpflichtige Lehrveranstaltungen besuchen. Alle weiteren Lehrveranstaltungen, wie Vorlesungen und auch die Nutzung der Bibliothek sind mir untersagt. Die Argumentation war, dass Vorlesungen schließlich nicht besucht werden müssen, auch Bibliotheken nicht. Dies ist nicht vollkommen richtig, da ich Bücher aus Bibliotheken brauche, um Seminararbeiten schreiben zu können. Ich könne mir die Bücher vor die Türe bringen lassen. Des Weiteren war der Wunsch der Universität, ich solle auch in Seminaren und Übungen etwas um das Gesicht tragen, wenn eine Maske nicht möglich ist, dann einen Schal. Grund für diesen Wunsch war: „Es solle niemand Fragen stellen.“ Damals fand ich es bemerkenswert, dass eine wissenschaftliche Institution so argumentiert. An einer Bildungseinrichtung, in der Studierende aufgefordert werden Fragen zu stellen, in einer Wissenschaft, in der es auch um das Hinterfragen geht, darf eine Frage nicht gestellt werden: Warum trägt diese Studentin keine Maske? Ich habe jedoch Vermutungen. Eine Frage kann weitere aufwerfen. Eine Frage hat das Potenzial zum Nachdenken anzuregen, zum eigenständigen Denken, wie dem Hinterfragen von Dingen. Und schließlich wirft eine Sache garantiert Fragen auf: Das Anders-Sein. Ist bzw. verhält sich jemand anders als der Mainstream, so fällt dies auf, ist augenscheinlich, denn ohne Maske sich in der Gesellschaft zu bewegen, ist nicht zu verstecken. So frage ich mich, ob die Universität Wien eine Gleichschaltung der Meinungen ihrer Studierenden beabsichtigt. Oder ist das auch eine Frage, die nicht mehr gestellt werden darf?
Ich habe noch nicht erfragt, wie die Regelungen der Universität Wien aktuell sind bezüglich einer Maskenbefreiung in Lehrveranstaltungen oder Prüfungen. Doch ich weiß und habe es am eigenen Leib erfahren, dass ich als ordentliche Studentin der Universität Wien die Bibliotheken ohne Maske trotz eines ärztlichen Attestes nicht betreten darf. Die Universität Wien hat ihr eigenes Hausrecht, das Rechte, die ich als österreichische Staatsbürgerin in Österreich habe, nicht anerkennt. Demnach werden Studierende vom täglichen Studienbetrieb ausgeschlossen und ich habe bereits mehrere solche Erlebnisse gehabt, als nicht-geimpfte Studentin mit freiem Gesicht.