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Für Freiheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit

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Ausflug in die Surrealität der alten Zeit

Ihr glaubt nicht, wo ich gestern war. Ich glaub es ja selbst kaum. Ich war in einem Restaurant. Ja, echt! Nach eineinhalb Jahren Ausgeschlossenheit.

Ich zog mir meine „neue“ Bluse an, die seit Monaten im Kleiderkasten auf einen Anlass gewartet hat und fuhr zu meinem Lieblingsitaliener. Am Weg dorthin kam ich bei einer Tankstelle vorbei. „Schon fast zwei Euro der Liter“, bemerkte ich und nahm das mit dem bereits fast alltäglichen kurzen Sorgenhieb in der Magengegend zur Kenntnis, gefolgt von dem gut einstudierten Mantra „Ich bin beschützt“, das ich immer so lange rhythmisch wiederhole, bis sich die innere Anspannung löst.

Als ich aus dem Auto stieg und Richtung Restaurant ging, blitzten in meinem Kopf Bilder von Hinausschmiss wegen Ungespritztheit und einer Diskussion wegen Maskenbefreiung auf. Was, wenn ich doch nicht erwünscht bin? Vor dem Eingang wurden meine Schritte langsamer. Dann gehst du einfach wieder! Aber dann mutiert mein Lieblingsitaliener zum Da-geh-ich-nicht-mehr-hin-Italiener. Auch keine schöne Option.

Hinein mit dir! – drängte ich mich und als ich den Schritt in meine Lokalität der unbeschwerten Vergangenheit wagte, erschrak ich regelrecht. Ein völlig unnormal scheinendes Bild bot sich mir. Als wäre ich in eine Zeitspalte gefallen und in einer Vor-Corona-Zeit wieder rausgekommen. Es kam mir tatsächlich surreal vor … alle von ihnen mit ganzem Gesicht. Die meisten schauten in die Leere, als wären sie mit den Gedanken in einer anderen Welt. Manche machten ein Gesicht, als ob sie gerade in eine Zitrone gebissen hätten. Ein paar unterhielten sich lächelnd und noch weniger lachten. Ich hätte gedacht, zwei Jahre Maßnahmenwahnsinn hätte die österreichische Mentalität verändert, doch unser Urvertrauen in die Unerschütterlichkeit unseres kleinen Landes hat den traditionellen, manierlichen Grant scheinbar nicht gebrochen.

Der Wiener Kabarettist Egon Friedell (1878 – 1938) formulierte diese Einstellung einst sehr treffend: „In der Welt geht’s drüber und drunter, aber Österreich geht nicht unter.“

Der Anblick dieser vertrauten Normalität, die man uns zwar brutal entrissen, aber offensichtlich nicht genommen hat, versetzte mich in eine Euphorie, durch die meine Begleitung und ich einen wunderbar ausgelassenen, lustigen Abend hatten.

Das Essen schmeckte ungewöhnlich – nicht anders als früher, aber ich hatte es schon so lange nicht mehr frisch zubereitet gegessen. Seit vielen Monaten waren die Mahlzeiten, wenn sie meinen Mund passierten, durch den Lieferweg gut durchgekühlt und dadurch geschmacklich verändert gewesen.

Ich war so gierig, dass ich nichts übrig lassen wollte und aß mehr als mein Körper eigentlich aufnehmen konnte. Die Rechnung zahlte ich stöhnend vor Überfressung und der Weg zurück zum Auto schien aufgrund meines erhöhten Gewichts weiter als der Hinweg. Die Nacht verbrachte ich wegen körperlicher Überfüllung wach. Es war also alles wie früher! Herrlich!

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