Replik wurde bereits von 355 ÄrztInnen unterzeichnet
Wien (OTS) – Zur Vorgeschichte: Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer Prof. Thomas Szekeres hatte am 2.12.2021 ein Rundschreiben an alle Kammervertreter Österreichs gesandt, in dem er pauschal allen Ärzten, die kritisch zur COVID-Impfung berieten, Disziplinarstrafen androhte. Hierauf wurde am 14.12.2021 ein von Univ. Prof. a.D. Andreas Sönnichsen initiierter offener Brief von 200 Ärzten an Kammerpräsident Szekeres veröffentlicht, in dem die COVID-Impfung kritisch wissenschaftlich diskutiert und eine freie Behandlungsentscheidung für ÄrztInnen und ihre PatientInnen gefordert wurden. Auf diesen Brief erfolgte ein sogenannter „Faktencheck“ der Kammer und von „Experten“ der MedUni Wien und des Nationalen Impfgremiums, der an alle ÄrztInnen Österreichs verschickt wurde.
Antwort auf den „Faktencheck“ zur COVID- Impfung im Rundschreiben 344/2021
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren
Am 14.12.2021 veröffentlichten wir einen offenen Brief an Sie, den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, nachdem Sie in einem Rundschreiben allen ÄrztInnen mit Sanktionen gedroht hatten, die ihren PatientInnen von der COVID-Impfung abraten. In unserem Brief stellten wir den derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Effektivität und Sicherheit der COVID-Impfung dar und forderten im Sinne evidenzbasierter Medizin, dass die individuelle Impfentscheidung ausschließlich als partizipative informierte Entscheidung von der behandelnden ÄrztIn und ihrer PatientIn getroffen werden kann. Auf diesen offenen Brief hin wurde von der Ärztekammer am 23.12.2021 an alle Ärztinnen und Ärzte Österreichs ein Rundschreiben (344/2021) mit dem Titel „Replik und Faktencheck Offener Brief von Sönnichsen“ versandt.
Wir freuen uns, dass die Österreichische Ärztekammer sich offenbar zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Krise einem wissenschaftlichen Diskurs öffnet, auf den wir gerne eingehen. Wir würden uns allerdings für die Zukunft wünschen, dass in einer wissenschaftlichen Diskussion auf abwertende Begriffe wie z.B. „Desinformation“ oder „halbe Wahrheit“ verzichtet wird. Auch von „Faktencheck“ sollte man in einem wissenschaftlichen Diskurs eher nicht sprechen, da die Ergebnisse klinischer Studien eben gerade nicht „Fakten“ sind, sondern dem momentanen Kenntnisstand entsprechende Wahrscheinlichkeitsaussagen, die zu diskutieren sind. So wichtig Beiträge der Ärztekammer zu wissenschaftlichen Diskussionen sind, so klar ist auch, dass es nicht Aufgabe der Ärztekammer ist, letztendliche „Wahrheiten“ zu diagnostischen oder therapeutischen Aspekten zu verkünden und alle anderslautenden Stimmen zu sanktionieren.
Wie bereits in unserem offenen Brief vom 14.12. dargelegt, ist die medizinische Wissenschaft beständig im Fluss, und vor allem die Ergebnisse klinischer Studien zu neuen Wirkstoffen sollten als vorläufig betrachtet werden. So machte der anerkannte Epidemiologe John Ioannidis durch seine für die medizinische Wissenschaftsmethodik bahnbrechende Arbeit mit dem provokanten Titel „Why most published research findings are false“ [1] darauf aufmerksam, dass klinische Studien einer äußerst kritischen Beurteilung bedürfen. Sprechen wir also aufgrund des noch kurzen Beobachtungszeitraums und der insgesamt dürftigen Datenlage zu den COVID-Impfstoffen lieber von Wahrscheinlichkeiten und nicht von Fakten.
Verlust der Wirksamkeit nach wenigen Monaten
Wir freuen uns, dass die Ärztekammer und ihre Experten Zeitlinger, Redlberger-Fritz und Schmitzberger hier einer Meinung mit uns sind. Im Gegensatz zu den vollmundigen Versprechungen aus dem Frühjahr 2021 „Die Impfung ist ein Game-Changer“ (Szekeres), „Wir wollen raus aus den Beschränkungen. Die Impfung ist unsere einzige Chance“ (Anschober), „Die Impfung wird sehr sicher und wirksam sein“ (Müller, MedUni Wien) [2] – vom Booster war damals noch gar nicht die Rede – zeigt sich nun, dass die Effektivität bereits nach wenigen Monaten (wie zu erwarten) nicht mehr ausreichend ist, um weitere COVID-Wellen, insbesondere mit mutierten Virusvarianten, zu verhindern.
So verdeutlichen die aktuellen Daten des RKI zu Omikron (Wochenbericht vom 30.12.2021) [3], dass die Ungeimpften sogar einen geringeren Anteil an Infizierten aufweisen als ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen würde: von den 5117 Omikron-Fällen mit bekanntem Impfstatus waren nur 1097 (21,4%) ungeimpft, obwohl im betreffenden Zeitraum (21.11- 27.12.) im Mittel noch immer 27,8% der deutschen Bevölkerung ungeimpft waren. 2883 Omikron-Infizierte hatten eine vollständige Erst- bzw. Doppelimpfung, aber noch keinen Booster erhalten (56,3%, Bevölkerungsanteil nur 50,1%) und 1137 Personen waren bereits mit einer Booster-Impfung versorgt worden (22,2%, Bevölkerungsanteil 22,1%) [4].
Auch eine Analyse eines Omikron-Ausbruchs bei einer betrieblichen Weihnachtsfeier in Oslo verdeutlicht die Unwirksamkeit der Corona-Impfungen hinsichtlich einer Infektion mit der Omikron-Variante: 98% der 81 infizierten Personen waren vollständig geimpft. Von den Geimpften Weihnachtsfeierteilnehmern infizierten sich 76%, von den Ungeimpften nur 50%, das waren allerdings nur zwei von vier, sodass der Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften natürlich nicht statistisch signifikant ist. Die Impfung lag im Mittel nur 79 (!) Tage zurück [5].
Auf Basis der RKI-Zahlen und der Daten aus Oslo zeichnet sich also ab, dass Ungeimpfte kein größeres Risiko für eine Omikron-Infektion haben als Geimpfte. Selbstverständlich sind diese Daten mit den Unsicherheiten der zufälligen Auswahl und der Vorläufigkeit behaftet. Sie bestätigen aber doch die Hypothesen aus den vorangegangenen Studien, die wir bereits zitiert haben, dass weder die initiale (Doppel-) Impfung noch der Booster geeignet sind, um die Pandemie zu beenden oder weitere Wellen mit neuen Virusvarianten zu verhindern.
Unzureichende und wahrscheinlich ebenfalls zeitlich begrenzte Wirksamkeit der Booster-Impfungen
Die Experten der Ärztekammer führen die Studie von Barda et al [6] an, um zu belegen, dass die Boosterimpfung „Personen vor schweren COVID-19-bedingten Folgen“ schütze. In dieser Studie wurden 738.321 Personen mit Booster-Impfung mit der gleichen Anzahl doppelt geimpfter Personen ohne Booster verglichen. Bei den Geboosterten startete die Beobachtungszeit erst sieben Tage nach der Boosterimpfung. Die mittlere (Median) Beobachtungszeit betrug 13 (!) Tage. Als Outcome wurden nur „COVID-bedingte“ Hospitalisierung, „COVID-bedingte“ schwere Erkrankung und „COVID-assoziierter“ Tod ab dem 8. Tag nach der Impfung gewertet. Die Gesamtzahl der Hospitalisierungen, schwerer anderer Erkrankungen und Todesfälle wird nicht berichtet, vor allem nicht in den ersten sieben Tagen nach der Impfung. Personen aus Pflegeeinrichtungen und im Gesundheitsbereich tätige Personen wurden ausgeschlossen. In der nur zweifach geimpften Gruppe kam es zu 231 Hospitalisierungen (0,03%), 157 schweren COVID-Erkrankungen (0,02%) und 44 COVID-assoziierten Todesfällen (0,006%). Die absoluten Risikoreduktionen lagen bei 0,027%, 0,019% und 0,005%.
Für die Altersgruppe unter 40 Jahren konnte wegen fehlender Ereignisse überhaupt keine Aussage getroffen werden und die Population mit dem höchsten Risiko für schwere COVID- Verläufe (Pflegeheimbewohner) war schon von Haus aus ausgeschlossen worden.
Die absoluten Effekte sind also, wie bereits in unserem ersten offenen Brief dargelegt, marginal. Hinzu kommt, dass die Studie methodisch erhebliche Schwächen aufweist, welche die Studienautoren auch unumwunden diskutieren. Hier sei vor allem auf die generelle Problematik retrospektiver Beobachtungsstudien hingewiesen (unentdecktes Confounding, Simpson’s Paradoxon, Selektions-Bias u.s.w). Auch kann natürlich aus einer Beobachtungszeit von im Median 13 Tagen keine Aussage über eine dauerhafte Effektivität der Booster-Impfung abgeleitet werden. Durch die Unterschlagung von Gesamtmortalität und Gesamthospitalisierungsrate und den Beginn der Beobachtungszeit erst sieben Tage nach der Booster-Impfung (also Ausklammerung der Zeit des höchsten Risikos für Nebenwirkungen!) besteht zumindest der Verdacht, dass die Studienergebnisse zugunsten der Impfung gefärbt wurden. Wen wundert es also, dass die Mehrheit der Studienautoren als Interessenkonflikt angibt, Geldzahlungen von Pfizer erhalten zu haben – selbstverständlich nicht unbedingt persönlich und auch nicht in direktem Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit.
Als weiteres Argument für die Effektivität der Booster-Impfung führen die Experten der Ärztekammer die von uns bereits referierte Studie von Bar-On et al. an [7]. Wie bereits ausgeführt, geht es bei der Interpretation der Ergebnisse auch in dieser Studie um die Differenzierung zwischen relativen und absoluten Effekten sowie die Auswahl der Fälle und den kurzen Beobachtungszeitraum. Die in der Studie referierten relativen Risikoreduktionen haben wir keineswegs bestritten, aber die absoluten Effekte sind auch in dieser Studie marginal und betreffen nur Menschen über 60 Jahren (jüngere Personen waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen). Auch treffen die gleichen Bias-Risiken retrospektiver Beobachtungsstudien zu, die bereits weiter oben für die Studie von Barda et al. beschrieben wurden (fehlende Berichterstattung über Gesamtmortalität und Gesamthospitalisierungsrate, Ausklammerung der ersten zwei Wochen nach der Impfung etc.).
Wie die Experten der Ärztekammer aus dieser Studie schließen wollen, dass Israel durch den Booster die vierte Welle gebrochen hat, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Als Quelle für diese Erkenntnisse wird denn auch von den Kammerexperten keine wissenschaftliche Originalpublikation, sondern ein Pressebericht des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ angegeben. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es im wissenschaftlichen Diskurs unüblich ist, die verzerrten Interpretationen aus der Laienpresse als wissenschaftlichen Beleg anzuführen. Wir gehen daher auch auf diesen Bericht nicht näher ein.
Infektiosität der Geimpften
Auch hier stimmen die Experten der Ärztekammer mit uns überein, und es ist objektiv nicht nachvollziehbar, warum dann abwertend behauptet wird, unser Standpunkt sei „nicht einmal die halbe Wahrheit“. Tatsächlich berichten die Experten der Ärztekammer die Schlussfolgerungen der Autoren der zitierten Lancet-Studie [8] nur unvollständig und machen damit genau das, was sie uns fälschlicherweise vorwerfen, nämlich selektives Zitieren. Dort heißt es: „Nonetheless, fully vaccinated individuals with breakthrough infections have peak viral load similar to unvaccinated cases and can efficiently transmit infection in household settings, including to fully vaccinated contacts“ (Vollständig geimpfte Personen weisen eine ähnlich hohe Spitzenviruslast auf wie Ungeimpfte und können im häuslichen Setting die Infektion effektiv weitergeben, auch an vollständig geimpfte Kontaktpersonen).
Sehen wir uns die Studie nochmals genauer an: In Tabelle 1 wird die Anzahl der „Secondary Attack Rates“ der exponierten Personen in Abhängigkeit vom Impfstatus angegeben. Von den 126 Geimpften, haben sich 31 infiziert (24,6%), bei den 40 Ungeimpften gab es 15 Infektionen (37,5%). Das relative Risiko (in der Studie nicht angegeben, aber aus den Zahlen berechenbar) beträgt 0,66 (95% KI 0,40-1,09). Der Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften ist also zwar numerisch günstiger für die Geimpften, aber statistisch nicht signifikant. Der P-Wert von 0,17 ist in der Tabelle ausgewiesen. Im Text steht entsprechend vollkommen korrekt (S. 5/6): „SAR (Secondary Attack Rate) was not significantly higher in unvaccinated than fully vaccinated household contacts“ (Die Infektionsrate war bei ungeimpften Kontaktpersonen innerhalb eines Haushalts nicht signifikant höher als bei geimpften).
In einem zweiten Schritt wird sodann zwischen geimpften und ungeimpften Indexpatienten unterschieden. Die SAR (Secondary Attack Rate) betrug bei den 69 Kontaktpersonen von infektiösen Geimpften 24,6%, bei den 100 Kontaktpersonen von infektiösen Ungeimpften 23,0%. Das Risiko für Ansteckung war also numerisch hier sogar für Geimpfte höher als für Ungeimpfte, aber natürlich ebenfalls nicht signifikant (RR 1,07, 95% KI 0,62-1,85).
Wie die Experten der Ärztekammer aus dieser Studie als „ganze Wahrheit“ einen signifikanten Nutzen der Impfung ableiten, bleiben sie den Lesern schuldig.
Zusammenhang zwischen Impfquote und Inzidenz
Die Experten der Ärztekammer kritisieren vollkommen zu Recht die Methodik und Aussagekraft der Korrelationsstudie von Subramanian [9]. Allerdings sind die laut Ärztekammer angeblich vom Autor der Studie stammenden Ausführungen nicht aus der publizierten Studie selbst entnommen, sondern beziehen sich auf einen im Internet veröffentlichten selbst-deklarierten sog. „Faktencheck“ ohne wissenschaftlichen Beleg oder eine wissenschaftliche Publikation. Es ist leider eine zunehmende Unsitte im wissenschaftlichen Bereich, dass keine wissenschaftlichen Studien mehr als Belege für Aussagen angeführt werden, sondern selbsternannte „Faktenchecks“, die sehr häufig aus unbelegten Behauptungen bestehen. Wir bitten die Experten der Ärztekammer daher, einen wissenschaftlichen Originalbeleg für die dargebrachten Behauptungen vorzuweisen. Wenn ein Autor seine Schlussfolgerungen aus einer durch Peer-Review qualitätsüberprüften Publikation widerruft – wie hier angeblich geschehen, wird dies in der Regel als Kommentar oder Korrespondenz in dem Journal veröffentlicht, in dem der Artikel erschienen ist. Wir konnten aber im European Journal of Epidemiology keine entsprechende Publikation einer Stellungnahme von Subramanian et al. finden.
Es liegt uns dennoch fern, die Arbeit von Subramanian et al. als apodiktische Wahrheit anzusehen. Der Beweis des Gegenteils – dass also die Aussagen der Subramanian-Studie falsch sind – wurde jedoch bisher nicht erbracht.
Wie wir in unserem ersten Brief bereits festgehalten haben: Wissenschaft ist im Fluss. Die Studie von Subramanian et al. stellt ein Mosaiksteinchen auf dem Weg zu mehr Erkenntnis dar. Sie kann widerlegt werden, aber diese Widerlegung sollte nicht durch einen angeblichen Faktencheck oder pauschale Behauptungen wie „Auch die kontinuierlich in Österreich erhobenen Daten zeigen eindeutig den Unterschied in Inzidenzraten zwischen geimpften und ungeimpften Bevölkerungsgruppen“ erfolgen, sondern durch entsprechende Studien hoher Qualität. Diese lassen sich leider gerade mit den österreichischen Daten nicht durchführen, da der Impfstatus der COVID-Fälle weder zuverlässig noch flächendeckend erfasst wird.
In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass die Experten der Kammer den Begriff „Inzidenz“ in diesem Zusammenhang zweifach falsch, bzw. irreführend verwenden. Das, was die Experten der Ärztekammer als „Inzidenz“ bezeichnen ist nicht die Häufigkeit einer Erkrankung, sondern die Häufigkeit eines positiven Corona-Tests. Der Nachweis eines Erregers ist jedoch nicht zwangsläufig mit einer Infektion oder Erkrankung verbunden. Ferner ist die Häufigkeit von positiven Corona-Tests fundamental davon abhängig, wie viele Tests durchgeführt werden, auch aufgrund der Zunahme falsch positiver Befunde. Wichtig ist folglich nicht nur die Anzahl positiver Testergebnisse, sondern auch der Anteil positiver Test- Ergebnisse an der Gesamtzahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Herbst 2021 bei 2-3%, während er im Vorjahr noch ca. 20% betrug [10].
Wenn die Experten der Ärztekammer über zuverlässige Daten zur tatsächlichen Inzidenz der Erkrankung COVID von Geimpften und Ungeimpften verfügen, die einem Peer-Review- Verfahren standhalten, dann sollten sie diese wissenschaftlich publizieren und nicht unbewiesene Behauptungen verbreiten.
Impfeffektivität bei Omikron
Hier liegen, wie die Experten der Ärztekammer selbst bemerken, bisher nur vorläufige Daten vor. Die oben angeführten Daten des RKI und des Clusters in Oslo sprechen eher gegen eine hohe Impfeffektivität bei Omikron. Die von den Experten der Ärztekammer angegebene Quelle der UK Health Security Agency enthält zwar die Behauptung, dass der Booster in der ersten Zeit mit einer Impfeffektivität von 70-75% assoziiert sei [11], Zahlen und Quellen für diese Annahme fehlen aber und die Autoren geben an, dass die Dauer der Effektivität unbekannt sei.
In einem weiteren Dokument der UK Health Security Agency werden hingegen erste Zahlen berichtet. Zwischen dem 27.11. und dem 29.12.2021 wurden von 649.834 Omikron-Fällen nur 815 hospitalisiert. Von diesen waren 206 ungeimpft (25,3%, Bevölkerungsanteil der Ungeimpften im Mittel des Beobachtungszeitraums 23,0%), 352 doppelt geimpft (43,2%, Bevölkerungsanteil 41,1%) und 189 geboostert (23,2%, Bevölkerungsanteil 28,5%, fehlende zu 100% entweder unvollständig geimpft oder Impfstatus unbekannt). Für die Bestimmung des mittleren Bevölkerungsanteils haben wir als Näherungswert den Mittelwert zwischen 13.11. und 15.12.2021 von Our World in Data herangezogen, da für die Hospitalisierungsstatistik Personen erst 14 Tage nach vollständiger Impfung bzw. Booster entsprechend kategorisiert wurden [12] [13]. Die Daten zeigen, dass Omikron zu deutlich geringeren Raten an schweren Fällen und Hospitalisierungen führt als die bisherigen SARS- CoV-2-Varianten und dass weder Impfung noch Booster einen relevanten Effekt auf die Hospitalisierungsrate aufweisen.
Nutzen-Schaden-Abwägung für die Impfung in Abhängigkeit von Alter und Risikofaktoren
Als Beleg für die Altersstruktur der Corona-Patienten auf den Intensivstationen führen die Experten der Ärztekammer wiederum ein nicht durch Peer-Review qualitativ gesichertes „Fact-Sheet“ an, das nicht den Standards einer wissenschaftlichen Publikation entspricht.
Es wird von uns gar nicht bestritten, dass auch jüngere Patienten mit COVID auf den Intensivstationen behandelt werden. Leider fehlen aber bislang zuverlässige Daten über die Komorbiditäten der auf österreichischen Intensivstationen behandelten SARS-CoV-2-PCR- Test-positiven Patienten. Auch eine Differenzierung zwischen wegen COVID auf Intensivstation Behandelten und Test-positiven mit anderen Behandlungsanlässen erfolgt nicht. Die Altersstruktur der PCR-Test-positiven Intensivpatienten alleine ist jedoch ohne zuverlässige Angaben zu Behandlungsursachen und Impfstatus nicht geeignet, eine Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung zu begründen.
Die Studie von Onder et al. hat gezeigt, dass nur 0,8% der an COVID verstorbenen Patienten keine relevante Begleit- bzw. Vorerkrankung aufwiesen. Fast 75% der Verstorbenen wiesen sogar zwei oder mehr Erkrankungen auf [14]. Wir haben den fehlenden Nutzen der Impfung vor allem für gesunde Menschen unter 65 Jahren postuliert. Ein Nutzennachweis der Impfung wurde für diese Gruppe von Menschen bisher jedenfalls nicht erbracht. Wenn doch, so bitten wir um Bekanntgabe der entsprechenden wissenschaftlichen Publikation.
Weiters führen die Experten der Ärztekammer ohne Angabe von Quellen an, dass die Impfung auch helfe, Long-COVID zu verhindern, und dass sie einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen habe. Es wurde unseres Wissens bisher weder ein Nutzennachweis der Impfung zur Verhinderung von Long-COVID erbracht noch ein gesamtgesellschaftlicher Nutzen nachgewiesen. Wir sagen damit nicht, dass dieser Nutzen nicht existieren könnte, aber ohne wissenschaftlichen Nutzennachweis ist es unethisch und apodiktisch, eine Impfpflicht einzuführen, wie sie von Politik und Ärztekammer gefordert wird.
Wir möchten nochmals betonen, dass wir weder die Notwendigkeit noch einen potenziellen Nutzen der Impfung für Patienten mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf von COVID bestreiten, auch wenn selbst hierfür die Datenlage derzeit noch unzureichend ist. Aber für das Diktat einer Impfpflicht für alle – also auch für gesunde, junge Menschen und solche, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht impfen lassen möchten, fehlen derzeit jegliche evidenz-basierte wissenschaftliche Nachweise. Deshalb lehnen wir eine Impfpflicht aus Sicht der evidenzbasierten Medizin, ärztlicher Ethik und des Gebotes „primum nil nocere“ („vor allem nicht schaden“) ab.
Unerwünschte Wirkungen der Impfungen am Beispiel der Myokarditis
Bei der Betrachtung der unerwünschten Wirkungen der Impfungen muss berücksichtigt werden, dass bisher nur ein Bruchteil der Bevölkerung ernstlich an COVID erkrankt ist. In Österreich wurden mittlerweile etwa 1,3 Mio positive PCR-Tests gezählt. Nach einer systematischen Übersichtsarbeit, die fast 30 Mio PCR-Tests einschloss, weisen 40% der Test- Positiven keine symptomatische Erkrankung auf [15]. In Österreich kommen aufgrund der umfangreichen Tests (inzwischen 127 Mio PCR-Tests!) zahlreiche Doppelbestimmungen und falsch positive Befunde hinzu. Man kann also – geschätzt – davon ausgehen, dass in den vergangenen zwei Jahren nur etwa 650.000 ÖsterreicherInnen tatsächlich symptomatisch an COVID erkrankt sind, entsprechend etwa 7% der Bevölkerung. Inzwischen wurden aber mehr als 70% der Bevölkerung mehrfach geimpft, also zehnmal so viele wie erkrankt sind. Das bedeutet, dass das Nebenwirkungsrisiko durch die Impfung zehnmal so groß anzusetzen ist
wie das Risiko durch die Erkrankung. In der von den Experten der Ärztekammer angeführten Myokarditisstudie lag das Risiko für eine Myokarditis nach zweifacher Impfung mit dem Moderna-Impfstoff bei insgesamt 16/Mio, nach symptomatischer COVID-Infektion bei 40/Mio [16]. Wenn aber zehnmal so viele Menschen geimpft werden wie erkranken, so stehen 160 Impfmyokarditiden nur 40 COVID-Myokarditiden gegenüber. Das Missverhältnis wird noch größer, wenn die Impfung – wie vorgesehen – in sechsmonatigen Abständen wiederholt wird, man die Krankheit aber nur einmal durchmacht, weil das Reerkrankungsrisiko für Genesene sehr gering ist, siehe z.B. die Studie aus Qatar [17]. In gleicher Weise müssen die anderen unerwünschten Wirkungen der Impfungen (thrombembolische Ereignisse, Vaskulitiden, thrombozytopenische Blutungen etc.) betrachtet werden.
Das Nebenwirkungsrisiko der COVID-Impfungen wird mit großer Wahrscheinlichkeit durch Underreporting unterschätzt. Davon gehen jedenfalls alle mit der Registrierung von Arzneimittelnebenwirkungen befassten Institutionen aus.
Zudem ist es vollkommen unbedeutend, wie hoch das Nebenwirkungsrisiko ist, wenn für den betroffenen individuellen Menschen der Nutzen der Impfung nicht nachgewiesen ist, denn dann ist eine einzige schwerwiegende unerwünschte Wirkung schon eine zu viel.
Wir danken den Experten der Ärztekammer für ihr abschließendes Statement in ihrer Replik auf unseren offenen Brief, stimmen dem voll und ganz zu und möchten noch einen Teilsatz ergänzen:
Wir verwahren uns ausdrücklich dagegen, Daten aus dem Kontext zu reißen und stehen für eine transparente Vermittlung aller medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Arzt zum Patienten, damit dann eine partizipative, informierte und individuelle Entscheidung über die Durchführung einer medizinischen Maßnahme getroffen werden kann.
An dieser Stelle wird festgehalten, dass zusätzlich zu 185 unten namentlich aufgeführten unterzeichnenden 170 Ärztinnen und Ärzte dieses Schreiben vollinhaltlich unterstützen, allerdings aus Angst vor beruflichen Nachteilen ihre Unterschrift nicht öffentlich machen wollen. Die Unterschriften sind bei einem Notar hinterlegt.