Der Begriff Long Covid tauchte erstmals auf Twitter auf und setzte sich rasch durch, da er treffend verrät, dass eine überstandene Covid-Erkrankung noch keine überstandene Covid-Erkrankung sein muss. Selbst die harmloseste Variante kann angeblich zu chronischen Beschwerden führen. Hält diese Behauptung bei näherer wissenschaftlicher Betrachtung?
Genau wie sein Verursacher, die Corona-Infektion, bringt uns „Long Covid“ bisher in dieser Form angeblich noch nie dagewesene Symptome einer Viruserkrankung. Am häufigsten sind Müdigkeit, Schwäche, Kopfschmerzen oder eingeschränkte Aufmerksamkeit. Gezählt wurden bisher mehr als 200(!) „Long Covid Symptome“, was bedeutet, dass es keine genaue Definition der Krankheitsmerkmale gibt.
„Long Covid“ scheint ein Überbegriff für alle Erscheinungen geworden zu sein, für die die Ärzteschaft bisher noch nicht viele Erklärungen bzw. Ergebnisse liefern konnte. Mit dem „Ergebnis“, dass meist ein Blutbefund und Vitamine „verordnet“ wurden. Etwa Vitamin-C-Infusionen. Auch die Segmenttherapie – einfach ausgedrückt: eine Reflexzonenmassage – soll Erleichterung verschaffen. Sowie gezieltes körperliches Training.
Schutz und unterstützende Regeneration bietet Vitamin D, denn ist z.B. dieser Vitamin-Spiegel zu niedrig, kann die Erholungszeit nach einer Infektion deutlich verlängert werden. Beachtenswert ist zudem, dass ein Vitamin D-Mangel zu Symptomen führen kann, die jenen von „Long Covid“ recht ähnlich sind. Durch Sonnenlicht kann der Körper dieses wichtige Vitamin selbst aufbauen. Das zählt allerdings nicht, wenn man einen sonnigen Tag im Lockdown melancholisch hinter seiner Wohnzimmer-Fensterscheibe verbringt.
Es sind alles sehr unangenehme Beschwerden, die derzeit als „Long Covid“ betitelt werden – keine Frage. Aber sie deshalb automatisch dem ohnehin schon für alles, was derzeit schief läuft, verantwortlich gemachten Corona aufzubürden, scheint doch etwas zu simpel zu sein.
Ursachen der Symptome sollen unbedingt medizinisch seriös abgeklärt werden, statt ihnen mehr oder weniger ungeprüft den Stempel „Long Covid“ aufzudrücken.
Long Covid Risikogruppen
Studien geben bereits einigen Aufschluss über die Zielgruppen der verlängerten Corona-Beschwerden.
Das Risiko ist nach einer schweren SARS-CoV-2-Erkrankung auch mit zeitlich längeren „Corona-Beschwerden“ zu kämpfen, ist angeblich bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren etwas höher, als bei Männern – obwohl Männer vermehrt einen schlimmeren Verlauf haben und häufiger im Krankenhaus behandelt werden müssen. Gleichzeitig soll ein Spitalsaufenthalt einen „Long Covid“- Ausbruch begünstigen. Das scheint ein Widerspruch zu sein, doch Forscher weisen extra darauf hin, dass Frauen mit typischen „Long Covid Symptomen“ eher bereit sind, einen Arzt aufsuchen als Männer und sie deshalb vermehrt in der Statistik aufscheinen.
Je mehr Vorerkrankungen jemand aufweist, desto schwerer können seine Corona-Erkrankung, aber auch seine „Long Covid Symptome“ bzw. deren Dauer sein. Und je mehr Symptome eine Patientin oder ein Patient während einer Corona-Infektion hatte, desto wahrscheinlicher werden sie oder er danach unter „Long Covid“ leiden.
Kinder und Jugendliche, die bekanntermaßen einen leichteren Verlauf bei einer Covid19-Infektion haben als Erwachsene, werden zumeist von „Long Covid“ verschont. Nur ein kleiner Teil gibt bei einer Studie an, sich nicht schnell wieder gänzlich zu erholen, obwohl nicht untersucht wurde, ob die Begleitumstände der Maßnahmen (Lockdown, Zwangsmaßnahmen, Isolation, Einschränkungen von Sport und Bewegung usw.), die insgesamt nicht förderlich für die Gesundheit sind, nicht auch einen wesentlichen Anteil daran haben könnten.
Ursachen für Long Covid
Sind chronische Vorerkrankungen die Übeltäter eines schwereren Covid-Verlaufs, so überrascht es wohl nicht, dass diese auch vermehrt zu „Long Covid“ führen. Dieses geheimnisvolle Zusammentreffen von bereits vorhandenen gesundheitlichen Beschwerden mit einem Virus, das besonders bei einem geschwächten Immunsystem wütet, wirft in meinem medizinisch zwar ungebildeten, dennoch aber aktiven Hausverstand die Frage auf, ob man sich statt um „Long Covid Symptome“, vielleicht vorrangig um die Behandlung der Vorerkrankungen kümmern sollte.
Denn „Long Covid“ ist besonders hinterhältig, weil es nicht zwangsweise an eine zuvor durchgestandene Covid-Erkrankung geknüpft ist, wie eine Studie aus Frankreich zeigt.
Die subjektive Überzeugung, ein Covid-Genesener zu sein, kann die persönliche Befindlichkeit stark beeinflussen – selbst wenn eine Covid19-Erkrankung mittels Antikörpertest ausgeschlossen werden konnte.
Man sollte also vorsichtig sein mit der Diagnose „Long Covid“. Anhaltende körperliche Symptome können nicht automatisch SARS-CoV-2 angelastet werden. Eine mögliche Ursache sehen Forscher aus den USA im Epstein-Barr-Virus (EBV). Eine Corona-Infektion kann das in über 90 % der Bevölkerung lebenslang schlummernde EBV wecken. Die Symptome sind sich zum Verwechseln ähnlich und können in Stresssituationen oder durch diverse Erkrankungen aktiviert werden.
Laut einer US-Studie (Untersuchungszeitraum 1 Jahr) haben knapp 95 % aller mit Corona ins Krankenhaus eingelieferten Patienten mindestens eine Grunderkrankung. Auch Angststörungen werden sehr oft im Zusammenhang mit einer hospitalisierten Person beobachtet und gehören neben Übergewicht und Diabetes sogar zu den häufigsten Risikofaktoren für eine schwere Covid19-Erkrankung.
Die Nachwirkungen auf den viel gefürchteten schweren Verlauf zu schieben, ist eine zu simple Herangehensweise an eine so komplexe Themenstellung. Die Frage, ob diese Krankenhausaufenthalte vielleicht überflüssig gewesen wären, hätte man den Patientinnen und Patienten bereits im Anfangsstadium ihrer Erkrankung zu Hause medikamentös geholfen, drängt sich mir regelrecht auf. Und vielleicht könnten so auch „Long Covid Symptome“ gemildert oder gar verhindert werden?
Die Beschwerden nach einer Hospitalisierung liegen nicht nur an der Intensität der Infektion, sondern auch an der Folge der medizinischen Behandlung, den verabreichten Medikamenten und der teilweisen künstlichen Beatmung. Das ist bereits vom sogenannten „Post Intensivpflege Syndrom“ bekannt. Die traumatisierenden Erfahrungen nach einem Intensivaufenthalt haben oft Auswirkungen auf kognitive und körperliche Fähigkeiten – unabhängig davon, ob man die überstandene Erkrankung Covid nennt.
Weitere immunschwächende Ursachen kommen in einem Krankenhaus hinzu, wie Keime, Isolierung und die ungemütliche Umgebung, die auch noch erheblich auf das Gemüt drückt. Die Psyche als Ursache und/oder Auslöser scheint zumindest bei einigen „Long Covid“ Fällen wahrscheinlicher als eine vorangegangene Corona-Erkrankung, denn auch Depressionen oder Burnout haben durchaus vergleichbare Krankheitsmerkmale.
Die meisten Rückfälle entstehen nachweislich durch Stress und körperliche oder geistige Belastung. Vor allem wenn man sich nicht ausreichend Zeit zur Regenerierung gegönnt hat.
Die gleichen Beschwerden sind bereits von der Influenza bekannt und treten bei „Long Covid“ minimal stärker auf, was auch daran liegen könnte, dass sich viele nach einer Grippe ohne große Panik Zeit zur Erholung nehmen.
Dass eine ungesunde Lebensweise einen Menschen mit Covid schneller ans Bett fesselt als jemanden, der sich fit hält, ist bereits bekannt. Vor allem Übergewicht wurde als besondere Gefährdung für eine schwere Corona-Infektion erkannt, da sich diese im Körperfett so wohl fühlt, dass „Long Covid Symptome“ sogar Monate später spürbar sind.
Bei vielen „Long Covid“ Patientinnen und Patienten ist hauptsächlich das vegetative Nervensystem angegriffen. Auch eine bereits vorhandene Autoimmunerkrankung kann die Symptome auslösen oder verstärken. Als weitere mögliche Ursache wird das chronische Fatigue-Syndrom genannt, das durch einen permanenten Erschöpfungszustand gekennzeichnet ist.
Interessant ist der Hinweis, dass man aufgrund der kurzen Beobachtungszeit von „Long Covid“ noch keine genauen Rückschlüsse über Symptome, bleibende Beschwerden oder Zeitintervalle und Zusammenhänge ziehen kann. Hinsichtlich der Gen-Therapie bzw. „Impfung“ hat man solche Worte selten gehört.
Long Covid und die Corona-„Impfung“
Von großer Wichtigkeit wäre eine Überprüfung, wie viele der „Long Covid“ Patienten frisch geimpft wurden? Aber wahrscheinlich wäre das Zeitverschwendung, da die Impfung ja bekanntlich (fast) völlig nebenwirkungsfrei ist und die Krankheiten in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung reiner Zufall sind.
Auch nach einem sogenannten „Impfdurchbruch“ kann es zu „Long Covid Symptomen“ kommen. Diese haben selbstverständlich nichts mit der Impfung zu tun, sondern ausschließlich mit der Covid-Erkrankung. So hört man immer wieder, dass bei ehemaligen Corona-Patienten Monate nach ihrer Genesung plötzlich „Long Covid Beschwerden“ auftreten – kurz nachdem sie geimpft wurden.
Jedenfalls bleibt die Impfung ihrer trägen Charakteristik treu: sie schützt nicht vollständig vor einer Corona-Infektion oder vor der „Weitergabe“ des Virus – und ebenso wenig vor „Long Covid“. Denn laut einer Studie aus Oxford würde die Corona-Impfung zwar angeblich vor einem schweren SARS-CoV-2-Krankheitsverlauf bewahren, nicht aber vor „Long Covid“. Hier gäbe es kaum Unterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften.
Schlussfolgerungen
Die angeblichen 200 Long Covid Symptome können scheinbar auch 200 Ursachen haben. Diese neumodische Krankheit hat viele Gesichter und einen trendigen Namen. Klingt besser als „Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, was Ihnen genau fehlt“.
Eine ausführliche Untersuchung der sich unwohl fühlenden Personen wäre mehr angebracht als vorschnelle Diagnostik. Da sich der Glaube einer beeindruckenden Anzahl von Patienten an eine überstandene Corona-Infektion knüpft – auch, wenn diese ärztlich nicht bestätigt werden konnte –, sollte auch die Aufmerksamkeit, die die Person dadurch genießt, als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden.
Die Angst – unser aller ständiger Begleiter seit Beginn der so genannten Pandemie – sollte als Mitschuldige auch nicht außer Acht gelassen werden. Dass Angst das Immunsystem schwächt – zusammen mit schlechter Sauerstoffzufuhr hinter den angeblich lebensrettenden Masken und dem für uns Menschen nicht artgerechten, sozial distanzierten Alltag – ist auch keine Neuigkeit mehr.
Und da Vitamine, Massagen und körperliche Bewegung gegen die nachträglichen Covid-Beschwerden zu helfen scheinen, lehrt uns diese Zeit vielleicht, dass wir uns jetzt Eigenverantwortung für unseren Körper und unser Leben antrainieren sollten. Statt diese höchst persönliche Verantwortung auf Ärzte und Pharmafirmen zu überwälzen. Zumal diese mit „Long Covid“ Symptomen ohnedies teilweise überfordert zu sein scheinen.
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Quellen:
- Bahner, Beate. Corona Impfung: Was Ärzte und Patienten unbedingt wissen sollten; Rubikon, 2021
- Bäurle, Anne; Geissel, Wolfgang; Mrusek, Marco. Long-COVID: Mehr als 200 Symptome erfasst; in: Ärztezeitung, 16.07.2021
- Brötzner, Editz; Karner, Roland. Long Covid – Die Mär vom angeblich neuen Syndrom; in: Wochenblick, 22.05.2021
- Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation e.V. Multimodale Rehabilitationskonzepte für das Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS); in: AWMF online – Das Portal der wissenschaftlichen Medizin, 01.06.2020
- Impfdurchbrüche können zu Long-Covid führen; in: Bild.de, 28.10.2021
- Kirchweger, Kornelia. Virus infiziert Fettzellen und bewirkt große Schäden; in: Wochenblick, 19.12.2021
- Knellwolf, Bruno. Neue Studienlage: Long-Covid ist auch nach einem Impfdurchbruch möglich; in: Aargauer Zeitung, 25.11.2021
- Leidensgeschichte „Long Covid“; in: barmherzige-brueder.at, 2021
- Long COVID: Nicht alle Patienten mit Langzeitsymptomen waren mit SARS-CoV-2 infiziert; in: aerzteblatt.de, 10.11.2021
- Long-COVID-Symptome als Folge einer EBV-Reaktivierung?; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 12.08.2021
- Lovelace Jr., Berkeley. CDC study finds about 78 % of people hospitalized for Covid were overweight or obese; in: CNBC, 09.03.2021
- Rieger Dr. Med., Berndt. Long Covid: Effektiv behandeln; Verlag Hormonie, 2021
- Segmenttherapie bei Long Covid; in: Trinicum-Blog, trinicum.com, 05.10.2021
- Sekertzi, Daphne. Long-Covid trotz Impfung: Wie wahrscheinlich ist das?; in: PraxisVita, 01.11.2021
- Studie: Long COVID in vergleichbarer Schwere und Häufigkeit auch nach Grippe; in: Wochenblick, 04.10.2021
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- Investigation of Long COVID prevalence and its relationship to Epstein-Barr Virus reactivation. Jeffrey E. Gold, Ramazan A. Okyay, Warren E. Licht, David J. Hurley, 17.06.2021
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- Underlying Medical Conditions and Severe Illness Among 540,667 Adults Hospitalized With COVID-19, March 2020–March 2021. Lyudmyla Kompaniyets, PhD; Audrey F. Pennington, PhD; Alyson B. Goodman, MD, et al., 01.07.2021