Wachsender Druck auf Ungeimpfte
Trotz des erneuten Kanzlerwechsels (der neue Bundeskanzler Karl Nehammer ist bereits der dritte Regierungschef in diesem Jahr und der fünfte seit 2017) und eines Berichts der Berliner Zeitung, die unter der Schlagzeile „Österreichs neuer Kanzler Nehammer will weniger Druck auf Ungeimpfte“ eine neue Corona-Strategie unserer Regierung sehen will, zeigen die am Dienstag von Nehammer präsentierten weiteren Maßnahmenschritte in eine andere Richtung. Der Lockdown für Ungeimpfte stehe vor einer Verlängerung, Geimpfte und Genesene sollen sich ab 12.12. wieder frei bewegen können. Es wird aber auch von regionalen Unterschieden berichtet, eine endgültige Entscheidung steht für den heutigen Mittwoch, 8.12. ins Haus.
Ebenso wurde von Gesundheitsminister Mückstein für Ende dieser Kalenderwoche eine Vorlage für den derzeit in Ausarbeitung befindlichen Gesetzesentwurf zur Impfpflicht ab Februar 2022 angekündigt. In einem „legendären“ Interview in der ZIB 2 vom 6.12.21 erfährt auch der hartnäckig bezüglich der Inhalte fragende Armin Wolf nicht mehr, als eben jenes geplante Datum der Präsentation. Mückstein betont, dass es ihm um einen breiten Konsens und eine ausführliche Begutachtungsfrist von 4 Wochen gehe, vergisst aber dabei, dass in diese Zeit auch die Weihnachtsfeiertage und der Jahreswechsel fallen, der unser Land für rund zwei Wochen in Ruhezustand versetzt. Eine ähnliche Vorgangsweise gab es bereits im Vorjahr, als um diese Zeit die Verordnung für die FFP2-Maskenpflicht in Begutachtung geschickt wurde, die einen Wust an negativen Stellungnahmen bewirkte, die aber allesamt nicht berücksichtigt wurden. Betont hat der Gesundheitsminister auf Nachfrage Wolfs, dass die aktuell eingebrachte Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes mit einer Wiedereinführung der Beugehaft nicht für Impfverweigerer gemacht wurde. Aus der Erfahrung der Aussagen von verantwortlichen Politiker*innen vor allem im Lauf der letzten beiden Jahren ist aber auch hier große Skepsis angebracht.
Wachsender Druck auf die Regierung
Druck erzeugt Gegendruck – und den bringen im Moment all jene auf die Straße, die sich an Warnstreiks und Demonstrationen beteiligen. So waren am vergangenen Samstag, 4.12.21 noch einmal mehr Menschen in der Wiener Innenstadt auf den Beinen als zwei Wochen zuvor. Die offizielle Darstellung spricht von mehr als 40.000 Teilnehmer*innen an den Kundgebungen (vor zwei Wochen war von 38.000 die Rede), inoffiziell wird von rund 400.000 gesprochen. Die Stimmung war auch diesmal – entgegen den in den Leitmedien kolportierten Meldungen – positiv und von einer Welle der Gemeinschaftlichkeit getragen. Viele Stunden wurde unaufhörlich für eine Beendigung der Maßnahmen, einen Rückzug der Regierung und das Recht auf Impffreiheit demonstriert. Auch in anderen Landeshauptstädten fanden an diesem Wochenende gut besuchte Demos statt.
Am Montag musste sich der neue Bundeskanzler einem Bad in der Menge der anderen Art stellen, es gab keine Jubelrufe sondern bereits in seiner ersten Stunde im neuen Amt heftigen Gegenwind durch eine Spontandemonstration vor der Hofburg.
Um den Druck auf die Verantwortlichen weiter zu erhöhen, sind zumindest folgende weitere Möglichkeiten sinnvoll: Die jedem österreichischen Bürger zustehende Möglichkeit zur Stellungnahme zu Gesetzesvorhaben über die Seite des Parlaments und die Ausschöpfung des jedem zustehenden Rechtsschutzes durch das Beschreiten des Rechtsweges, wie es die Anwälte für Aufklärung empfehlen. Entsprechende Musterschreiben zu diversen Themen sind bereits vorhanden bzw. in Vorbereitung.
Insgesamt scheint es sinnvoll, die weitere Eskalation den Regierenden zu überlassen und den aktuellen und geplanten Maßnahmen mit Ruhe und Tatkraft entgegen zu treten. Diese Form des Widerstands hat historisch gesehen die wesentlich größere Wirkung als ein gewaltvolles Vorgehen gegen die von den Verantwortlichen durch Gesetze und Verordnungen manifestierte strukturelle Gewalt.