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Für Freiheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit

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Infiziert vom Narrativ

Die heimische Medienlandschaft liegt auf der Intensivstation

Wissen und Information wird plötzlich zur Holschuld. Wirtschaftlicher Druck auf unabhängige Redaktionen hat ein unerträgliches Maß angenommen. Der Unmut unter Journalisten, die sich ihren ethischen Grundsätzen verpflichtet sehen, nimmt täglich zu.

Im Ehrenkodex der österreichischen Presse, quasi dem moralischen und berufsethischen Kompass der heimischen Journalisten, ist unter anderem wie folgt zu lesen: „Wirtschaftliche Interessen des Verlages dürfen redaktionelle Inhalte nicht in einer Weise beeinflussen, die Fehlinformationen oder Unterdrückung wesentlicher Informationen zur Folge haben könnten.“

Das ist eine seit den 1970er-Jahren geltende Guideline des österreichischen Presserates, die bis zum Frühjahr 2020 in weiten Teilen des heimischen Qualitätsjournalismus ihre Anwendung fand. Diese ehernen journalistischen Grundsätze sind  – nicht nur in Österreich – dem Coronavirus zum Opfer gefallen. In der Medienlandschaft ist seit dieser „Ansteckung“ eine äußerst infektiöse Praxis erkennbar: Die Berichterstattung folgt einem Narrativ, das über die Landesgrenzen hinweg gebetsmühlenartig wie ein Mantra wiederholt, ausgebaut, nach Belieben verfälscht und in die breite Masse der Bevölkerung gestreut wird.

Abweichende Fakten vom Narrativ sind vergeblich in Print, Radio und TV zu finden. Für nicht-medienaffine Menschen entsteht der Eindruck, dass das alles schon seine Richtigkeit haben muss. Denn schließlich argumentieren die Medien nach der Legislative, Exekutive und Judikative als vierte Macht im Staat im Gleichklang. Also wird das schon alles seine Richtigkeit haben.

Bei Kennern der Medienlandschaft lässt dieser mediale Einheitsbrei ob seiner Eindimensionalität allerdings die Alarmglocken schrillen. Auch wenn es für die Konstrukteure des Corona-Narrativs unbequem ist, gibt es – wie bei jedem anderen Thema auch – nicht nur die Farben Schwarz und Weiß, sondern unendliche Graustufen. Diese Graustufen aufzuzeigen ist eine zentrale Aufgabe von Journalisten.

Genau das passiert allerdings seit dem Ausbruch der Pandemie im heimischen Blätterwald nicht. Journalistische Grundsätze wie Check, re-check, double-check von staatlich beigestellten „Fakten“ gelten nicht mehr, statistisches Material und Aussagen von Wissenschaftlern und Medizinern aus staatsnahen oder geförderten Organisationen werden ungeprüft übernommen. Abweichler vom Narrativ werden vorsichtshalber als Verschwörungstheoretiker und Schwurbler abqualifiziert, auch wenn darunter international anerkannte Experten oder sogar Nobelpreisträger darunter sind.

Die zweite Welle der Desinformation

Dabei konnte der aufmerksame Beobachter in den Medien zwei Wellen verfolgen: In den Anfangsmonaten der Pandemie übertrafen sich die Medien mit mehr oder weniger reißerischen Meldungen über die dramatischen Verläufe der Pandemie im chinesischen Wuhan oder in der italienischen Provinz Bergamo. Alsbald stellten sich in der ohnehin wirtschaftlich schwer angeschlagenen Medienbranche die „Effekte“ der heimischen Sonderpresseförderung ein. Die Eigentümer der Print-, Radio- und TV-Medien wurden aus Gründen der „Information“ mit üppigen Inseratengeldern „versorgt“. Die zweite Welle breitete sich aus, sie hält bis zum heutigen Tag an: Redaktionelle Vielfalt wich der redaktionellen Monotonie. Auch vor Staatsgrenzen machte dieses Phänomen nicht halt. Die internationale Berichterstattung etwa über „Corona-Abweichler“ Schweden zeichnete ein düsteres Bild einer „skandinavischen Fehlentwicklung“. Die Lesart der Publikationen der schwedischen Medien gab hingegen ein weit differenzierteres Bild ab. Die Entwicklung der letzten Monate zeigte auf, dass dieser Weg der richtige gewesen ist. Der Widerhall im internationalen Blätterwald blieb überschaubar.

Journalisten bangen um ihre ethischen Grundsätze

Natürlich haben nicht alle Journalisten durch die Pandemie plötzlich ihre ethischen Grundsätze über Bord geworfen. Sucht man den Kontakt mit Redakteurinnen und Redakteuren des Landes, zeichnet sich vielmehr ein beklemmendes Bild ab. Die täglichen Redaktionskonferenzen, in pandemielosen Zeiten ein Ort des Diskurses und der Vielfalt, mutieren zu Befehlsausgaben und der deutlichen Erinnerung an die „Blattlinie“. Es mehren sich die redaktionsinternen Stimmen, die hinter vorgehaltener Hand ihr deutliches Unbehagen über diese Entwicklung zum Ausdruck bringen. Doch die Angst um den eigenen Job hält die internen Kritiker von sonst gerne kritisierten ungarischen oder „orbanschen“ Verhältnissen – zumindest derzeit noch – in Schach. Das Ausmaß der Selbstbeschädigung, die die Medieninhaber an ihren eigenen Redaktionen betreiben, wird erst in Jahren erkennbar sein. Ausgewogene Informationen zu erhalten, wurde plötzlich zur Holschuld für Bürgerinnen und Bürger. Ein Moment, das wir seit dem Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen Europas nicht kennen.

Es bleibt zu hoffen, dass trotz des aktuell üppigen Füllhorns an Sonderpresseförderung die Journalistinnen und Journalisten des Landes wieder bald zur zentralen Vorgabe des österreichischen Pressekodex zurückkehren: „Sobald einer Redaktion zur Kenntnis gelangt, dass sie eine falsche Sachverhaltsdarstellung veröffentlicht hat, entspricht eine freiwillige Richtigstellung dem journalistischen Selbstverständnis und Anstand.“

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