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Für Freiheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit

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Einmal Schweden und zurück

Seit Jahren zieht es uns ans Meer. Die üblichen Ziele: Italien, Kroatien, vielleicht Griechenland. Doch seit zwei Jahren schon ruft uns Schweden. Letztes Jahr sind wir noch brav zu Hause geblieben: Wegen der gesundheitlichen Gefahr, damit wir das Virus nicht wieder einschleppen und aus Furcht vor strengen Grenzkontrollen. Allesamt Argumente, die in den Zeitungen standen. Doch die Vorstellung von einem dieser entzückenden Häuschen an einem ruhigen See half die vielen Monate des Rückzugs, der Lockdowns und Paniknachrichten, durchzustehen. Zudem weckten Berichte über den Sonderweg Schwedens unsere Neugier.

Dieses Jahr war es günstig: Viel Zeit und keine Alternative! Wir packten unser Auto bis an die Decke und buchten unsere Ziele. Zuerst ging es nach Prag und wir zitterten der Grenze entgegen: Keine Beamten und keine Kontrolle! Im internationalen Hotel entschuldigte man sich für die Masken- und Testpflicht und abends konnten wir das erste Mal wieder ohne 3G-Regeln Essen gehen.

Das nächstes Ziel war Rügen. An der Grenze: Keine Beamten und keine Kontrolle! Im Hotel galt Masken- und Testpflicht. Das Personal trug die Maske allerdings nur unterhalb der Nase. Ein Gastwirt erzählt uns im Gastgarten, in dem keine 3G Regeln galten, dass es kein Covid-19 mehr in Rügen gäbe.

Beim Einchecken auf die Fähre von Deutschland nach Schweden mussten wir zum letzten Mal einen Testnachweis vorlegen. (Ein Reisetipp: Keine Currywurst auf stürmischer See essen!)

Und dann waren wir wirklich da. Im Land, wo auf Eigenverantwortung und Empfehlungen gesetzt wird. Beim ersten Mal im Supermarkt ohne Maske, fühlten wir uns richtig schuldig. Überall kann man sich frei bewegen, und es droht keine Gefahr ständig von irgendjemandem gemaßregelt zu werden. Wie stark diese giftige Atmosphäre bis ins tiefste Unbewusste gewirkt hatte, konnten wir an unseren Träumen der ersten Woche erkennen. Was folgte, war ein Gefühl von Traurigkeit: Diese Freiheit, der gegenseitige Respekt, der würdevolle Umgang miteinander, scheint für Österreich gerade unerreichbar.

Die Zeit verging, wir gewöhnten uns wieder an das, was früher einmal selbstverständlich war. Wir genossen spontan Café, gingen ins Museum, sahen uns Kinderprogramme an, saßen dabei neben anderen, wie es in den Jahren vor 2020 üblich gewesen war. Alles, was unser Kind in den letzten eineinhalb Jahren vermissen musste, wurde jetzt nachgeholt. Kultur und Spaß: Elche füttern, alles rund um Astrid Lindgren, die sich für die Rechte von Kindern besonders eingesetzt hatte, und sogar ein Vergnügungspark! Es gab Desinfektionsmittel und verblichene Abstandsaufkleber auf dem Boden, ansonsten ist Covid-19 hier vergessen. Und wir vergaßen es auch: Es wurde uns mit einem Mal deutlich, wie grotesk die ständige Fixierung auf dieses Thema, egal von welcher Warte aus, war.

Schweden ist groß und hat viel Platz: Es gab keinen Stress auf der Straße und wir genossen es mit 90 Stundenkilometern durch die hohen Föhrenwälder mit den magischen Findlingen und vorbei an malerischen Seen mit den einzelnen, rot getünchten Holzhäuschen zu tingeln. Wir haben nie erlebt, dass jemand knapp auffuhr oder unangenehm drängelte. Auch nicht in Schwedens Hauptstadt. In Stockholm leben knapp eine Million Einwohner, doch niemand tritt dem anderen auf die Zehen. Nur in manchen Museen gibt es Besucherlimits, wobei wir nur in der Astrid-Lindgren-Welt vor ausverkauftem Haus standen. Mittels online-booking war unser Hauptziel wenige Tage später Wirklichkeit geworden! Touristen sind in Schweden jetzt rar, meist sieht man aber sofort, ob jemand aus Deutschland kommt, denn die Deutschen tragen meist Masken.

Unsere Erfahrung ist: Die Schweden leben immer noch! Sie haben ihren respektvollen Umgang miteinander nicht geopfert. Die Coronazahlen sinken, die Prognosen sind nicht eingetroffen. Einige Gastgeber unserer Unterkünfte waren geimpft, doch sie fragten nie danach. Toleranz ist möglich, Würde und Respekt schließen das Überleben eines Landes nicht aus!

Es ist schwierig wieder in eine Atmosphäre zurückzukehren, wo Misstrauen und Missgunst so offen zu Tage treten können, wie das bei uns gerade der Fall ist! Wir wissen, dass vor allem verletzte Menschen, andere wiederum verletzen: Welche unglaublich große, kollektiv verdrängte Wunde, wirkt so stark, dass sich Folgen in diesem Ausmaß zeigen?

Dieser Frage werden wir uns stellen müssen, denn erst eine sichtbar gemachte Wunde ist heilbar.

Karin Reinberg

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