Ein verspäteter Aprilscherz? Der „Freiheitspreis der Medien“ ging bisher immer an herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich in besonderer Weise für die freie Meinungsäußerung, das gesellschaftliche Miteinander, den konstruktiven politischen Dialog und den Schutz der Demokratie einsetzten. Und jetzt an Kurz? Im Ernst?
Wer die Begründung der in ihrer Zusammensetzung geheim gehaltenen Jury liest, fragt sich unweigerlich: Sprechen die schon vom gleichen Herrn Kurz, dem Bundeskanzler Österreichs?
So heißt es in dieser Begründung: „Kurz hat sich in seiner politischen Laufbahn immer wieder als Brückenbauer erwiesen. Schon als Integrationsminister setzte er sich frühzeitig für eine ausgleichende Migrationspolitik ein. Als Außenminister suchte er einen Ausgleich der zunehmenden Spannungen innerhalb der Europäischen Union. Der engagierte Europapolitiker agierte immer wieder als Versöhner unterschiedlicher Interessen und weltpolitischer Anschauungen. Er gab den kleineren EU-Staaten insbesondere Ost- und Südosteuropas im europäischen Gestaltungsprozess eine größere Stimme. Kurz baut immer wieder eine Brücke quer durch den Kontinent und erweist sich als offener Mittler, dem ein geeintes Europa nicht nur Vision, sondern gelebte Realität ist.“
Gleichzeitig widmet das ZDF-Auslandsjournal Kurz einen kritischen Beitrag unter dem Titel „Skandale, Amigos und Wiener Filz“, und die Süddeutsche Zeitung titelt einen Bericht über die bevorstehende Preisverleihung mit „Das große Staunen“. Verständlich, geht es doch bei dem zu Krönenden um jenen Mann,
- der mit einem überdimensionierten PR-Apparat eine ausgefeilte Message Control umsetzt,
- der laufend versucht, über massiven finanziellen Druck und persönliche Interventionen in den Redaktionen inhaltliche Korrekturen in seinem Sinne zu erwirken,
- der mit seiner rhetorischen Angst- und Panikmache sehr zur Spaltung der Gesellschaft in der Pandemie beigetragen hat,
- der für seine Freunde Postenschacher übelster Sorte betreibt,
- der schon mehrfach die unabhängige Justiz attackiert hat,
- der Verfassungskonformität für nebensächlich erklärt hat,
- der sich bei jeder Gelegenheit mit der Schließung der Balkanroute brüstet und Kinder im eiskalten Winter in Moria (er)frieren lässt,
- der gerade erst mit seinen Stellungnahmen im Streit um die Impfstoffverteilung in der EU tiefe Gräben aufgerissen hat und
- der mit Kollegen mit seltsamem Demokratieverständnis wie dem Ungarn Viktor Orbán oder dem Slowenen Janez Janša zu fraternisieren beliebt?
Wen immer die Preisverleihung so fassungslos macht wie uns, schreibe doch an die Weimer Media Group – als klares Signal, dass hier der Begriff der Freiheit in unerträglicher Weise verhöhnt wird: info@weimermedia.de
PS: Vor einigen Jahren hat Rainer Mausfeld in seinem Buch Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören – mit erschreckender Aktualität auch für die jetzige Corona-Zeit – herausgearbeitet, wie demokratiefeindliche Massenmanipulation entsteht und durchgeführt wird. Fast scheint es, als bräuchte es dringend eine Fortsetzung mit dem Titel: Wie die Wölfe (sich be)jubeln.
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