Mein neunjähriges Enkelkind kommt zu Besuch und weint fürchterlich: „Oma, ich bin sehr traurig. Ich habe meinen Schulfreund lange Zeit nicht mehr gesehen, weil ihn seine Mutter nicht in die Schule schickt!“
Alles wegen Corona. Er schnitt in der Schule Löcher in die Maske und kritzelte über die aufgezeichnete Ampel vor unserer Schule kleine Monster. Er erzählte, dass wir nach dem Coronatest alle Chips in unserem Gehirn haben werden.
Heute hatte ich mit ihm einen Videochat. Er holte sein Plastikmaschinengewehr und sagte mir, dass er nicht mehr mein Freund sein und dass er Menschen erschießen will. Warum sagt er das? Ich versuchte mein Erschrecken zu verbergen, während ich nach einer Antwort suchte. Was macht diese Mutter mit ihrem Kind? Sie erzieht ihn zur Barbarei, zerstört seine kleine Seele! Sie sollte ihm lernen, sein Verhalten respektvoll zu reflektieren und nicht blind einem Kollektiv zu folgen, aber sie sollte ihn in schwierigen Zeiten nicht zu Aggressionen verführen.
Diese Worte würde mein Enkelkind nicht verstehen. Ich nehme aus meinem Bücherregal „Momo“ von Michael Ende. Eigentlich wollte ich es ihr erst ein bisschen später geben. „Wenn dein Freund wieder in die Schule kommt, mache es wie Momo und höre ihm einfach zu. Oder blicke zu ihm während des Unterrichts auf die Nachbarbank und ziehe für einen ganz kurzen Moment deine Maske von der Nase.“
Ich gebe ihr das Buch: „Momo kann zuhören und bringt den Menschen die gestohlene Zeit zurück.“