Dieser Text von Dechant Ignaz Steinwender erschien ursprünglich im März 2021 auf https://www.pfarre.zell.at/, ist dort aber inzwischen nicht mehr verfügbar.
In der letzten Zeit habe ich sehr viele Gespräche geführt, auch einige mit Politikern, die meisten aber mit einfachen Leuten, Kurzgespräche ergaben sich bei Erstkommunion- und Firmungsanmeldungen usw. Und immer wieder kam das Thema Corona, und insbesondere das Thema Impfen, und natürlich die Frage nach der „allgemeinen Impfung“ bzw. dem „Forschungsprojekt Impfung“ im Bezirk Schwaz. Manche meinen: Das Impfen an sich ist eine rein gesundheitliche Frage, das geplante Forschungsprojekt eine politische Entscheidung, da soll sich der Pfarrer nicht einmischen.
Andererseits wird aber gerade in diesem Zusammenhang sehr viel moralisiert bzw. moralischer Druck ausgeübt, nicht selten im Namen der Nächstenliebe. Und man könnte auch die Frage stellen: Ist es nur eine politische Frage? Ist nicht mehr dahinter? Gibt es in diesem Zusammenhang moralische Fragen, die zu bewerten sind? Wird unzulässig moralisiert und der Begriff Nächstenliebe instrumentalisiert? Ich habe festgestellt, dass in diesem Zusammenhang viele Menschen starke Gewissenszweifel haben, es gibt große Nöte diesbezüglich. Die Menschen werden zu einer (unerwartet schnellen) Entscheidung genötigt, sie wollen eine gute Entscheidung treffen, sie wollen eine richtige Entscheidung treffen, die hilft, eine gute Zukunft zu haben, aber es fällt ihnen sehr schwer. Auf ihnen lastet eine Ungewissheit, viele fühlen sich unter Druck gesetzt oder gar wie jemand, der erpresst wird, da bereits jetzt im Raum steht, dass es manche Selbstverständlichkeiten in Zukunft möglicherweise nur noch mit Impfung gibt. Ich habe weiters beobachtet, dass es eine sehr große Spaltung gibt, die bis in die Familien hineinreicht und wirklich tief geht. Kann ich also als Priester, als Hirte einer Pfarre oder als Dekan im „Impfbezirk Schwaz“ zu diesem Thema schweigen?
Die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute des II. Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) beginnt mit den Worten: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“
In diesem Sinne ist es klar: Eure Hoffnungen, eure Sorgen, eure Ängste, eure Fragen, eure Gewissensnöte sind auch meine Sorgen, ich teile sie mit euch, ich bete für euch und fühle mich daher auch verpflichtet, einige Gedanken mitzuteilen, die dem einen oder anderen eine gute Entscheidung erleichtern könnten.
Dabei möchte ich zu Beginn einiges grundsätzlich klarstellen. Ich beurteile niemanden von euch – und das gilt für mich generell und immer – nach der Meinung, die ihr habt, auch nicht nach der Entscheidung, die ihr getroffen habt oder treffen werdet, sondern ich denke als Seelsorger. Zuerst kommt die Person. Als Seelsorger ist für mich das Heil eines Jeden wichtig. Im katholischen Katechismus stehen die Werke der leiblichen und geistigen Barmherzigkeit. Zu den geistigen Werken der Barmherzigkeit gehört es auch, „den Zweifelnden zu raten“. Ich schreibe diese Zeilen, obwohl ich weiß, dass mir dies Unannehmlichkeiten und Nachteile einbringen könnte. Wenn ihr es ganz genau wissen wollt: Ich schreib diese Zeilen, weil es mir mein Gewissen gebietet. Ich fühle mich vor Gott dafür verantwortlich, was ich euch sage oder auch, was ich euch nicht sage!
Ich werde aber niemandem von euch sagen: Tu dies oder das, denn ich kann (und darf und will!!!) euch diese persönliche Entscheidung nicht abnehmen. Je freier eine Entscheidung getroffen wird, desto besser kann man dann damit umgehen. Deshalb habe ich die Überschrift gewählt.
Zehn Gebote für eine freie Entscheidung.
Erstens:
Mir ist zunächst einmal die Frage gekommen: Warum werden ausgerechnet wir im Bezirk Schwaz angehalten, uns kollektiv, also möglichst viele oder wenn es ginge, alle, impfen zu lassen? Haben die Schwazer oder Vertreter des Bezirkes darum gebeten? Ich habe jedenfalls nichts davon wahrgenommen. Warum gab es über ein Projekt von solcher Tragweite keine politische Willensbildung z. B. bei den Gemeinderäten etc.? Plötzlich und wie über Nacht wurde vom Bundeskanzler und vom Landeshauptmann mitgeteilt, dass der Bezirk Schwaz geimpft werden soll. Manche haben das so dargestellt, als ob dies geradezu eine besondere Erwählung der Schwazer durch die EU wäre. Den Gipfel bildete die euphorische Aussage, die Impfung sei eine vorverlegtes Ostergeschenk.
Zweitens:
Eine weitere Frage, die mich beschäftigt ist die, warum das alles so schnell gehen muss. Es wird angekündigt, in wenigen Tagen landet in fast allen Haushalten die Einladung mit einer sehr kurzen Anmeldefrist. Wenn es sich um eine wichtige Entscheidung handelt, warum bereitet man diese nicht in Ruhe und daher gewissenhaft vor? Zuerst eine Willensbildung, dann eine ausführliche und gründliche Information, die sorgfältige Abwägung aller Bedenken und Gegenargumente, eine Nachdenkphase etc. Ein Mitbruder sagte mir jüngst: „Meine Oma hat einmal gesagt, wenn etwas sehr schnell gehen muss (z. B. eine schnelle Unterschrift), dann sollst du gut aufpassen.“ Viele hätten vielleicht lieber noch etwas länger zugewartet, so wie es viele um uns herum tun. Viele Länder warten darauf, wie das in Schwaz ausgehen wird. Dann werden sie erst entscheiden. Wenn es gut ausgeht, sind wir „Vorreiter“ gewesen, wenn es schlecht ausgeht, haben wir eben Pech gehabt.
Drittens:
Mir stellt sich die Frage: Wie gründlich ist die Information? Zu diesem Thema gibt es viele wissenschaftliche und medizinische Fragen, die man bei einer Entscheidung berücksichtigen sollte. Nur bei einer gewissenhaften Aufklärung über Wirkungsweise und mögliche Nebenwirkungen ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung überhaupt möglich. Nun ist es mit Sicherheit so, dass es unter Ärzten und Wissenschaftlern ganz konträre Meinungen gibt. Man sollte sich als Laie entscheiden, wenn selbst Ärzte und Wissenschaftler völlig unterschiedlicher Auffassung sind. So befürchten Fachleute ungünstige Kreuzwirkungen, sehen die erhöhte Gefahr einer anderen viralen Infektion, das mögliche Auftreten unerwünschter Immunreaktionen, welche Entzündungen und Autoimmunreaktionen inkludieren könnten. Erhöhtes Krebsrisiko ist nicht ausgeschlossen. Ein hohes Risiko besteht darin, dass Schäden oder Veränderungen in unserem Zellkern verursacht werden könnten, die später zu Krankheitszuständen führen. Bisher unumstrittene, altbekannten Grundregeln der Impfforschung, wie zum Beispiel die Wichtigkeit von Langzeitbeobachtungen für die Impfstoffsicherheit und den Nachweis der Wirksamkeit, gelten plötzlich nicht mehr. Jüngst sagte mir jemand: „In den öffentlichen Medien ist man dafür, in sozialen Medien sind alle dagegen?“ In den öffentlichen Medien kommen nur jene zu Wort, die dafür sind. Es gibt eine regelrechte und lautstarke Propaganda. Hier könnte man an den Philosophen Nietzsche denken, der einmal sagte: „Ihr redet so laut, als ob ihr Unrecht hättet!“
Viertens:
Damit hängt die weitere Frage zusammen: Ist das Ganze nicht ein Versuch? In der Einladung einer Gemeinde zum Impfen heißt es: „Bei der Anmeldung als möglichen Impf-Ort ‚Öffentliche Impfstation‘ wählen und ‚Bezirk Schwaz – Wissenschaftliche Studie‘ angeben.“ Das heißt eigentlich, dass der Zweck der Impfung eine Studie ist. Man studiert an uns, wie sich ein Impfstoff auswirkt etc. Es wird ein Versuch gemacht. Wenn man ausreichend Bescheid wüsste, dann bräuchte man ja keinen Versuch machen. Wir sind also Versuchsobjekte!!!
Fünftens:
Eine weitere Frage, die sich mir stellt, ist der mangelnde Dialog und der Umgang mit Gegnern: Gegenwärtig kann man in der Bevölkerung feststellen, dass es zwei Lager gibt, Befürworter und Gegner der Impfung. Die einen haben den anderen nichts mehr zu sagen. Man will die Argumente des Anderen nicht mehr hören. Das erschwert eine vernünftige Entscheidung. Wenn Menschen, die eine Gegenmeinung haben, niedergemacht werden, in eine Ecke gestellt werden oder in Einzelfällen ihren Job verlieren, dann ist größte Vorsicht angebracht. Wenn jemand mit solchen Methoden arbeitet, dann darf man mit Recht an der Redlichkeit der Absichten zweifeln.
Sechstens:
Wenn du nicht tust, was ich will, dann … Viele Leute hoffen, dass wir endlich zur „Normalität“ zurückkehren können, ehrlich gesagt, ich auch. Nun sagen viele: Wenn wir alle brav sind und uns impfen lassen, dann wird alles wieder gut. Manche glauben zwar nicht wirklich daran, aber sie sind von Einschränkungen bzw. Schikanen so zermürbt, dass der Wunsch zum Vater des Gedankens wird. Dazu könnten man einwenden: Ich bin der Meinung, dass viele Zwangsmaßnahmen, die jetzt praktiziert werden, ein schweres Unrecht sind und unverzüglich, auch ohne generelle Impfungen, aufgehoben werden könnten und dringend aufgehoben werden müssten, weil sie unverhältnismäßig sind. Der Lockdown ist so ein Unrecht, die strengen Besuchsregeln in den Heimen der Alten sind menschenunwürdig und die übertriebenen Beeinträchtigungen in den Schulen sowie die strengen Kontaktbeschränkungen verletzen in sehr vielen Fällen das Kindeswohl. Deswegen sind diese Äußerungen ganz einfache Erpressungsversuche. Wenn man Erpressern nachgibt, erntet man nicht Freiheit, sondern man darf eher erwarten, dass die Schrauben nachher enger gezogen werden.
Siebtens:
Muss ich mich nicht aus Nächstenliebe impfen lassen, es geht doch um die Volksgesundheit? Diese Frage könnte man dann bejahen, wenn sicher belegt wäre, dass durch die Impfung man selbst vor Ansteckung und die anderen vor Weitergabe der Krankheit durch geimpfte Personen geschützt wären, jedoch mit dem Vorbehalt, dass niemand verlangen kann, dass man selbst einen gesundheitlichen Nachteil in Kauf nehmen muss, um andere zu schützen. Dazu muss man zunächst einschränkend sagen: Die Impfung schützt nicht 100-prozentig, sondern zwischen 50 und 95 Prozent. Wenn man geimpft ist, kann man trotzdem angesteckt werden und das Virus übertragen (wie man z. B. auf der Seite der Europäischen Medikamentenagentur bei allen zugelassenen Impfstoffen nachlesen kann, und es ändert sich voraussichtlich auch nichts an der Maskenpflicht. Nun gibt es aber auch schon viele Erfahrungen, dass Leute in unmittelbarem Zusammenhang mit der Impfung krank wurden bis hin zu Todesfällen. Noch viel drastischer sind jedoch Befürchtungen über andere Schäden langfristiger Art, wie sie oben schon unter Punkt drei angeführt wurden. Wenn man z. B. als Vater oder Mutter gesundheitliche Risiken in Kauf nimmt, ist das dann nicht auch ein Verstoß gegen die Nächstenliebe?
Achtens:
Wenn sich jemand impfen lassen will, dann muss er sich die Frage stellen, wer haftet für ev. gesundheitliche Schäden? Bei der gegenwärtigen gesetzlichen Lage ist es sehr fraglich, ob ein Geschädigter nicht leer ausgeht.
Neuntens:
Wem soll, darf oder kann man glauben? Manche haben das Glück, einen guten, seriösen Arzt zu kennen, der sich neben seinen vielfältigen täglichen Aufgaben auch noch die Mühe macht, sich aus erster Hand über die neuen Impfstoffe zu informieren. Was aber ist, wenn ich mehrere gute Ärzte kenne und sie verschiedener Ansicht sind? Vielleicht kann man eine gewisse Auslese vornehmen. Wenn ein Arzt für seinen Standpunkt Nachteile einstecken muss, wenn er z. B. diffamiert wird, von der Ärztekammer oder Behörden gemaßregelt wird und trotz offensichtlicher Nachteile seinen Standpunkt vertritt, dann ist das sicher ein Grund, ihm eher zu vertrauen. Wenn jemand mit Corona, Tests oder Impfungen ein großes Geschäft macht, dann muss man ihm nicht automatisch misstrauen, aber blindes Vertrauen ist dann weniger angebracht. Bei Politikern sollte man ähnlich denken und sich eher auf jene stützen, die von den Mainstreammedien schlecht behandelt werden.
Zehntens:
Zum Abschluss, denke ich, ist es wichtig, sich Gedanken zu machen, wie es ausgehen könnte und wie man mit eventuellen Folgen umgehen kann. Ein Christ hat laut kirchlicher Lehre die Pflicht, sein Gewissen zu bilden. Nun ist es so: Wenn jemand nach bestem Wissen und Gewissen, d. h. nach optimaler Prüfung aller Meinungen, frei von Druck, frei von Zwang entscheidet und so wirklich nach seinem Gewissen handelt, dann kann er nachher sicher gut damit umgehen. Wenn er nachher feststellt, dass er trotz bestem Bemühen um die richtige Erkenntnis sich geirrt hätte und z. B. nun einen schweren Schaden erleiden würde, dann kann er das trotzdem in Freiheit annehmen, braucht keine Schuldgefühle zu haben und kann die Folgen eben tragen, so gut es geht. Umgekehrt kann es sehr bitter und geradezu ein Jammer werden, wenn man nachher erkennt, dass man sich überrumpeln ließ, dass man nur aus einem Affekt oder einer konkreten Angst gehandelt hat. Wenn ein Mensch geistlich wachsen will, dann ist es immer wichtig, Entscheidungen im Nachhinein zu überdenken, auch in Bezug auf den Ablauf.
Ich erinnere ich z. B. an eine Fehlentscheidung. Ich war unter Druck und ich musste entscheiden. Dann kam der Punkt, wo ich plötzlich entschied, obwohl ich innerlich spürte, dass es nicht richtig ist. Eine Angst, ein momentaner Nachteil, der Druck „lieber“, gutmeinender Freunde waren so stark, dass ich nachgab. In diesem Moment war ich nicht mehr bereit, andere Argumente zu hören, ich wollte nicht mehr langfristig zu denken, ich war auch nicht bereit, in die Stille zu gehen. Ich diesem Moment habe ich meine Gewissensfreiheit irgendwie aufgegeben und meine innere Stimme zum Schweigen gebracht. Und ich bin jenen eher aus dem Weg gegangen, die mich an diese innere Stimme erinnert hätten. Umso bitterer war dann die Erkenntnis der Fehlentscheidung.
Damit möchte ich nun schließen. Es gäbe natürlich noch manch weitere Überlegungen zu diesem Thema. Mein letzter Beitrag über Sicherheit und Freiheit könnte auch eine Entscheidungshilfe sein. Ich hoffe, dass ich dem einen oder anderen von euch eine Entscheidungshilfe geben konnte. Abschließend möchte ich euch noch um etwas bitten.
Wenn euch irgendwelche Gedanken irrig vorkommen oder falsch, dann bin ich für jeden Hinweis oder jede Korrektur sehr dankbar und werde sie gerne vornehmen. Wenn jemand ein Gespräch möchte, bin ich gerne immer dazu bereit, bitte einfach anrufen und kommen.
Euer Seelsorger
Ignaz Steinwender
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