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Für Freiheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit

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So geht es jetzt wohl vielen

Zweite Jännerwoche im Neuen Jahr, beim Einkaufen. Am Weg durch die Gänge sehe ich aus dem Augenwinkel eine ältere Frau, die in eine Nische gedrückt telefoniert. Unfreiwillig höre ich mit: „Mutti, ich kann nicht kommen, ich war doch erst gestern bei dir, … nur einmal in der Woche darf jemand kommen, das weißt du ja, … nein, es geht nicht …“ Mit eindringlichen, deutlichen Formulierungen, die sie immer und immer wiederholt, mit geduldiger und liebevoller Stimme. Immer wieder beteuert sie, dass ein Besuch nicht möglich sei.
Vor meinem inneren Augen sehe ich am anderen Ende der Leitung eine alte, schwerhörige, demente und verwirrte Frau in einem Heim vor mir, die kein Zeitgefühl hat und mit dem Wort „Corona-Einschränkung“ so gar nichts anfangen kann.
Am Packtisch sehe ich die Frau wieder, und ich kann nicht anders, als sie auf das unfreiwillig Mitgehörte anzusprechen. Sofort füllen sich ihre Augen mit Tränen, und sie erzählt: „Einmal in der Woche für eine halbe Stunde ist ein Besuch bei meiner Mutter im Heim erlaubt. Er muss vorher angemeldet werden, man braucht jedes Mal einen negativen PCR-Test, nicht älter als 48 Stunden, oder einen Antigentest, nicht älter als 24 Stunden. Und eine FFP2-Maske. Die Mutter hat sich in dem Heim wohlgefühlt vorher, war geistig ganz da, mit dem ersten Lockdown im März wurde sie dann schlagartig dement und verwirrt, das ist praktisch über Nacht passiert.“
Gegen Ende unseres Gesprächs erzählt mir die Frau dann noch, dass man vor Weihnachten auch ihren 74-jährigen Bruder begraben habe. Er habe sich im Lauf eines längeren Aufenthalts im Spital infiziert und sei danach sehr rasch gestorben.

Überwältigt und bedrückt denke ich nach diesem Bericht darüber nach, dass solche Erfahrungen jetzt für viele zu einem ganz normalen Teil des Alltags geworden sind. Was das wohl mit uns allen macht? Und: Was machen wir denn jetzt am besten, um nicht einzuknicken?

10.1.2021

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